Frankfurt/Wien - Die Rücknahme der Wachstumsprognose der EZB sowie starke US-Konjunkturdaten haben den Euro am Donnerstag deutlich gedrückt. Die Gemeinschaftswährung fiel bis auf 1,4367 Dollar, den tiefsten Wert in diesem Jahr. Die Europäische Zentralbank senkte ihre Prognosen für das Wachstum angesichts der Finanzmarktkrise und der hohen Ölpreise für dieses Jahr auf 1,4 Prozent von 1,8 Prozent. Für 2009 schraubten sie ihre Schätzungen auf 1,2 Prozent von 1,5 Prozent herunter.
Analysten erwarten eine Zinssenkung frühestens Anfang 2009, falls die Teuerung bis dahin nachlassen sollte. Das "beängstigende Inflationsniveau" sei vor allem auf den Anstieg von Energie- und Nahrungsmittelpreisen in aller Welt zurückzuführen, erklärte EZB-Chef Jean-Claude Trichet nach der Sitzung. Außerdem hätten Lohnanstiege dazu beigetragen.
Gegenwind bekam der Euro auch von Aussagen des Sprechers der Euro-Finanzministergruppe, Jean-Claude Juncker. Er bezeichnete die Gemeinschaftswährung als überbewertet im Vergleich zum Dollar. Nach unten drückte den Euro Experten zufolge auch ein besser als erwartet ausgefallener US-Einkaufsmanagerindex für das Dienstleistungsgewerbe. Zudem sank der Auftragseingang in der deutschen Industrie neuerlich.
Nicht gerade für Euphorie sorgte der Beschluss der EZB, für Ausleihungen höhere Sicherheiten zu verlangen. Insbesondere Bankenwerte kamen in Folge an den Börsen unter Druck.
Die EZB hatte den Leitzins im Juli erstmals seit mehr als einem Jahr erhöht, um die im Sommer auf Rekordniveau gestiegene Inflation in Schach zu halten. Die Jahresteuerung in den 15 Euro-Ländern lag wegen der hohen Energie- und Nahrungsmittelpreise im August bei 3,8 Prozent und damit rund doppelt so hoch wie von den Notenbankern angestrebt.
Die Globalisierungswelle seit Mitte der neunziger Jahre hätte zwei Effekte auf die Inflation gehabt. Darin liege die Krux, wie Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank ausführt: „Die Globalisierung hat inflationsdämpfende Effekte, wie die Erhöhung des globalen Waren- und Dienstleistungsangebotes, aber, etwa bei Rohstoffpreisen, eben auch inflationssteigernde Effekte". Heuer hätten eindeutig letztere die Oberhand gehabt.
Inflation dürfte sinken
Von diesen Faktoren sei jedes Land in Europa zu fast gleichen Teilen betroffen. Auf "hausgemachte Einflüsse" seien die Preissteigerungen hingegen nur selten zurückzuführen, sagt Kater. Insgesamt rechnet der Ökonom mit einem Rückgang der Inflation ab 2009 - von vier auf zwei Prozent.
Auch in Amerika und England kämpfen die jeweiligen Notenbanken mit der steigenden Inflation und einer schwächelnden Wirtschaft. Die Bank of England hat ähnlich der EZB die Leitzinsen nicht angetastet. In England steigen die Konsumentenpreise mit über fünf Prozent.
Im aktuellen „Beige Book", dem Konjunkturausblick der amerikanischen Fed, bestätigten die Notenbanker, dass in fast allen Regionen der USA der Konsum als treibende Kraft der Wirtschaft schwächelt und die Preise weiter steigen. Doch es gab auch Positives aus den USA zu vermelden: Die Produktivität im zweiten Quartal stieg mit 4,3 Prozent auf Jahressicht unerwartet stark an. (Reuters, bpf, DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2008)