Worum geht es? Um die dringend notwendige Untersuchungshaft für mögliche Mitglieder einer konspirativen Gruppe, die massive Sachbeschädigungen mit zehntausenden Euro Schaden verursacht haben sollen? Oder um einen Polizei- und Justizskandal, durch den politische Aktivisten quasi auf Anordnung der Privatwirtschaft erbarmungslos verfolgt und ins Gefängnis geworfen werden? Beide Deutungen stehen derzeit im Falle der am Dienstag freigelassenen Tierrechtsaktivisten im Raum.

Fix ist: Irgendwer hat im Dezember 2006 15 Schaufensterscheiben einer Modekettenfiliale in Wien-Meidling zertrümmert und "Pelz ist Mord" auf die Hauswand gesprüht. Und anderswo mit Buttersäure und deren infernalischem Gestank die Ware vernichtet. Gerichte müssen entscheiden, wer es war. Aber so zu tun, als hätte eine wildgewordene Polizei ohne jeglichen Anlass plötzlich zu ermitteln begonnen und wahllos Verdächtige hinter Gitter gebracht, ist kühn.

Polizei und Justiz also vorbildlich im Einsatz für den Rechtsstaat? Nicht wirklich. Ein Jahr arbeitet eine Sonderkommission an dem Fall. Sie muss Verdachtsmomente haben, sonst wären die Hausdurchsuchungen von der Justiz kaum genehmigt worden - und dann sind 110 Tage nötig, um weitere Beweise zu sichern? Die Verdunkelungsgefahr war nämlich einer der Hauptgründe für die lange U-Haft. Mit Verlaub: Entweder hätte man schon vorher wissen sollen, wonach man sucht - oder schneller arbeiten müssen. Aber über drei Monate Menschen in Haft zu nehmen, um sie dann mit einer halbherzigen Argumentation wieder freizulassen, riecht verdächtig nach böser Absicht. (Michael Möseneder, DER STANDARD; Printausgabe, 3.9.2008)