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Sabine Strasser schreibt das Buch "MigrantInnen in der österreichischen Politik".

"Ist das österreichische Parlament wirklich Repräsentant der Bevölkerung?" Diese Frage stellt sich die Sozialanthropologin Sabine Strasser (46) angesichts der kommenden Nationalratswahlen. Über 16 Prozent der Bevölkerung hätten einen Migrationshintergrund, sagt sie. Das würde doch bedeuten, dass zumindest 29 der 183 Abgeordneten diese Erfahrung teilen sollten. Eine Utopie, wie Strasser zugibt. Die Gründe? "Ein mangelndes Selbstverständnis als Einwanderungsland und Parteien, die offensichtlich nicht bereit sind, Migranten und Migrantinnen zu nominieren."

Engagement und Weltoffenheit ist für Sabine Strasser die Basis für ihre Karriere. Es begann zwar alles in einem kleinen beschaulichen Ort in Oberösterreich namens Wernstein am Inn, aber "aus dem Dorf wegzukommen" war für sie schon als junges Mädchen ein Ziel. Sie war Au-pair und entschloss sich für ein Studium, das soziale Verbindungen über nationale Grenzen hinaus förderte.

Da war dann auch noch das große Interesse für Menschen, "die wenig Raum haben, für sich selbst zu sprechen". Der Weg an die Uni Wien, um hier Sozialnthropologie und Afrikanistik zu studieren, war also logisch. 1983 kam noch Turkologie dazu - "weil ich begonnen habe, mit Migrantinnen aus der Türkei zu arbeiten und ihre Sprache sprechen wollte." Strasser war 1983 Mitbegründerin und bis 1988 Mitarbeiterin von "Miteinander Lernen", einer noch heute in der Wiener Koppstraße existierenden Beratungseinrichtung für Frauen aus der Türkei.

Damals sei eine Zeit des Aufbruchs gewesen, eine Zeit, in der eine " Innovationsbereitschaft" im sozialen Bereich und auch für Frauen und feministische Einrichtungen zu spüren war. Auch an der Universität engagierten sich immer mehr Studierende und Lehrende für Frauenforschung und feministische Inhalte. Arbeiten, die mit Binnen-I verfasst waren, sorgten damals an der Uni noch für Aufregung. "Aber das war und ist keine Attitüde von mir, das ist Teil meines Selbstverständnisses - und unverzichtbar."

Strasser ist mit zwei Institutionen verbunden: seit vielen Jahren mit dem Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Uni Wien - zuletzt unter anderem durch Forschungsprojekte und eine Gastprofessur (2005) - und seit 2007 mit der Middle East Technical University in Ankara als Associate Professor. Dort sieht sie mehr Frauen in höheren Positionen als hierzulande.

Sie ist außerdem mit dem Kopftuchverbot an den Unis konfrontiert. Wobei sie betont, dass sich zwischen strikten GegnerInnen und BefürworterInnen eine dritte Gruppe bemerkbar macht: die, die Gerechtigkeit und Bekämpfung von Diskriminierung nicht auf das Kopftuch reduziert sehen will. "Die bei weitem sympathischste Position."

Was die Zukunft für Sabine Strasser bringt, wird sich zeigen. Der einzige Stress, den sie sich zurzeit macht: Sie muss ein Buch fertigstellen. Es handelt wieder einmal von "MigrantInnen in der österreichischen Politik", also von Menschen, die aufgrund ihrer vielfältigen Erfahrungen innovative Politikstrategien einbringen können. (Peter Illetschk/DER STANDARD, Printausgabe 03.09.2008)