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Schweden hat's vorgemacht, Deutschland zog nach, Österreich folgt? Angela Merkels (CDU) Kabinett schuf ein einkommensabhängiges Elterngeld. Ihr Koalitionspartner SPD fordert nun Gratiskindergärten.

Schweden gilt als Best-Practice-Modell. Auch die deutsche Version hat sich bewährt. Von Lisa Nimmervoll Günther Oswald.

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Wien - Im Paradies geht Mama in "mammaledighet", Papas Pendant heißt "pappaledighet". Dort gibt es ein üppig gefülltes Konto. Mit Tagen, mit Geld. 480 Tage, die Mama im Mutterschaftsurlaub und Papa im Vaterschaftsurlaub (er muss mindestens 60 Tage nehmen) abbuchen und daheim mit dem Kind (beliebig aufgeteilt, bis es sieben Jahre ist) konsumieren können. Mit jedem Kind. Drei Kinder bedeuten also 1440 Werktage oder vier Jahre Kinderauszeit - plus Pensionsgutschriften für drei mal vier Jahre Kindererziehung nach Wahl aus drei Optionen. Alimentiert aus der Elternversicherung (80 Prozent vom Letztgehalt, Minimum 571 Euro, Maximum 2887). Das Paradies heißt Schweden.

"Das sind wirklich paradiesische Zustände, besser ist's nirgendwo", sagt Sozialforscher Bernd Marin vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung. Nachdem die ÖVP nach SPÖ, Grünen und LIF nun auch überzeugt ist vom einkommensabhängigen Kindergeld, empfiehlt Marin der nächsten Regierung, Richtung Norden zu blicken.

Das schwedische Modell ist ein Kind der spezifisch schwedischen Kultur, erklärt Experte Marin. Das Leitbild des - immer dem Prinzip aktiver Gleichstellungspolitik folgenden - schwedischen Wohlfahrtsstaates ist seit den 1970ern an der Integration aller in den Arbeitsmarkt orientiert, auch wenn sie Kinder kriegen.

Darum gibt es zusätzlich zum Kindergeld zwar ein Recht auf Elternteilzeit (bis minus 25 Prozent) bis zum 8. Lebensjahr des Kindes, allerdings finanziell nicht kompensiert, weil der Erwerbsanreiz ja gewollt ist. Dafür ist es pensionsrechtlich so gestaltet, dass Frauen ihre Pension um zehn Prozent erhöhen können und so am Ende auf gleich hohe Pensionen wie die Männer kommen. "Schweden kompensiert Eltern die Nachteile durch Geburt und Erziehung komplett, nicht aber die vom Arbeitsmarkt", und das würde Marin auch für Österreich empfehlen: "Die Nachteile mangelnder Bildung, falscher Berufswahl oder persönliche Freizeitpräferenzen, es gibt ja Leute, die lieber weniger arbeiten und mehr frei haben wollen, sollen in einem Sozialstaat nicht voll vergesellschaftet werden."

Väter-Anteil verfünffacht

In Deutschland hat Angela Merkels schwarz-rotes Kabinett bereits eine abgespeckte Elterngeld-Variante eingeführt. Seit Jänner 2007 gibt es zwölf Monate 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens (mindestens 300, maximal 1800 Euro). Bleibt Papa auch daheim, gibt es zwei Extramonate. Tatsächlich ist der Anteil der Väter in Karenz von 3,5 Prozent im Jahr 2006 auf 18 Prozent im ersten Quartal 2008 gestiegen. Allerdings: Den meisten Männern reichen zwei Baby-Monate, nur jeder zehnte steigt ein Jahr aus dem Job aus. Alleinerzieherinnen bekommen die vollen 14 Monate (anders als beim österreichischen Kindergeld, bei dem die Frauen um die theoretisch für den Vater reservierten Monate umfallen).

Laut Arbeiterkammer würde ein einkommensabhängiges Kindergeld (1000 bis 2000 Euro) 60 Millionen Mehrkosten bedeuten, die ÖVP rechnet 15 bis 30 Millionen. (DER STANDARD, Printausgabe 03.09.2008)