Die letzte große Koalition war ein Jammer, richtig? Sie war selbst für jene, die eine große Koalition prinzipiell für sinnvoll halten, ein Negativerlebnis, richtig? Nur noch weniger als 20 Prozent halten diese Regierungsform für zukunftsträchtig, richtig?

Trotzdem sollen wir aber in eine neue große Koalition getrieben werden, die ganz, ganz anders und viel besser sein wird. So versucht man uns einzureden.

Werner Faymann will eine neuerliche große Koalition. Er ist von Natur aus ein Großkoalitionär, er hasst Konflikte, er liebt in der Politik die "Gemeinsamkeit", auch wenn das bedeutet, die Dinge im Hinterzimmer auszumachen. Faymann ist ein Politiker des Interessenabtausches, er möchte einen verlässlichen Partner, der nicht bockt, wenn es darum geht, populistische Goodies unter dem Volk zu verstreuen. Der Partner - am besten die ÖVP - wird dann auch schon etwas kriegen.

Eine neue oder vielmehr neuerliche große Koalition soll mit Faymann als Kanzler installiert werden, aber nicht mit Molterer als Vizekanzler (der müsste dann ohnehin auch als VP-Obmann gehen), sondern mit Faymanns Wunschkandidat Josef Pröll. Das wäre die Veränderung gegenüber bisher.

Dieser Plan findet massive Unterstützung, publizistisch vor allem in der Krone, indirekt auch in Österreich (die schreien zwar ebenfalls für Faymann "Hopp auf", haben aber aus leiser Beleidigung über die Führungsrolle der Krone im Faymann-Bejubeln ein bisserl auch den guten alten Haider hervorgekramt). In der Politik wird die neue große Koalition vom Wiener Bürgermeister Michael Häupl und dem niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll, Josef Prölls Onkel, hinter den Kulissen und auch in gemeinsamen Äußerungen unterstützt.

Mit einem Wort, eine Reihe von Leuten hat massive Interessen, ein politisches Konstrukt wiederzubeleben, das im Moment so ziemlich diskreditiert ist. Man fragt sich nach den Gründen.

Große Koalitionen waren segensreich für die Gesamtentwicklung Österreichs, als es um große Themen ging - in der Nachkriegszeit der Wiederaufbau, ja die Existenzfähigkeit des Staates, der soziale Ausgleich, die Erringung der Freiheit. Nach 1986 ging es dann darum, ein durch die Waldheim-Krise zerrissenes Land wieder zusammenzuhalten, die pleitegegangene verstaatlichte Industrie zu retten und den EU-Beitritt durchzubringen.

Ab Ende der Neunzigerjahre hatte sich diese Regierungsform wieder erschöpft. Nachdem die kleine schwarz-blaue Koalition die Regierungsunfähigkeit eines Partners - der FPÖ - und die mangelnde Liberalität der Schüssel-ÖVP erwiesen hatte, blieb vor zwei Jahren aufgrund des Wahlergebnisses wieder nur eine große Koalition.

Sie hätte große Themen gehabt - die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs durch massive Investitionen in Bildung und eine echte Integrationspolitik. Sie war dazu nicht fähig, aber nicht wegen irgendwelcher Persönlichkeiten, sondern wegen struktureller Kleinkariertheit der aktuellen österreichischen Politik.

Und Faymann/Pröll sind die Erlösung aus dieser Situation? (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 2.9.2008)