Brigitte Hobmeier in "Weiße Lilien".

Foto: Polyfilm

Wien - Gesellschaftsvisionen und gebaute Utopien gehen häufig Hand in Hand - auch im Kino. So lebt die Heldin von Weiße Lilien, eine blasse junge Frau namens Hannah (Brigitte Hobmeier), in Neustadt, einer Wohnmaschine, welche nicht von ungefähr dem Wohnpark Alterlaa ähnlich sieht. Im Film spiegeln die markanten weißen Gebäudekomplexe die Klassenverhältnisse wider: Bei den einkommensschwachen Bewohnern unten ist das Wasser rationiert, die oben wissen nicht einmal ihren Penthouse-Pool zu schätzen.




Wohl auch deshalb kommt es in der Anlage neuerdings zu spontan aufwallenden, aggressiven Akten. Die Techniken der Berieselung, Beschwichtigung und Befriedung scheinen nicht mehr zu greifen. Klare Frontlinien sind allerdings nicht auszumachen. Wer die Fäden zieht, bleibt ungewiss. Auch der gewalttätige Ehemann ist schließlich nur ein Opfer der Verhältnisse. Die passive Heldin, eine Angestellte der Servicezentrale, flüchtet vor ihm in die elfte Etage. Dort verstrickt sie sich bald in einem erzählerischen Spiegelkabinett voller Verschwörer und Doppelagenten, welches auch für den Zuschauer unergründlich bleibt.

Kontrollierte Zukunft

Weiße Lilien, eine Koproduktion mit österreichischer Beteiligung, die vor einem Jahr in Toronto uraufgeführt wurde, ist nach Die totale Therapie der zweite Kinospielfilm von Christian Frosch. Nach wie vor beschäftigen den inzwischen in Berlin lebenden Autor und Regisseur Szenarien der sozialen Kontrolle und Überwachung. Diese sind zwar in gegenwärtig real zu beobachtenden Tendenzen verankert, aber ein Stück weit in Richtung einer fiktiven Zukunft zugespitzt.

Allerdings verläuft dieser Prozess hier vor allem entlang der (schönen) Oberflächen. Neustadt zeigt sich retroschick. Die Kamera kann sich offensichtlich gar nicht sattsehen an der melancholischen Heldin, die man öfter in zarter Wäsche am Boden drapiert erblickt oder mit strenger Frisur in sterilen Räumen und Gängen unterwegs.

Von diesen Schauwerten einmal abgesehen, wirkt der Film - jenseits jeglicher beabsichtigten Fragmentierung und Verrätselung (im Sinne der beiden Davids - Lynch und Cronenberg - und anderer J.-G.-Ballard-Verehrer) - schlichtweg krude und unentschlossen. (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe, 02.09.2008)