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Noch-Intendantin des Tanzquartier Wien, Sigrid Gareis: "Ein Kuratorium, das auch inhaltlich Mitsprache hat, ist ein veraltetes Modell, das für keine andere Einrichtung der Theaterreform gilt."

Foto: APA/Burianek

Wien - Gespanntes Abwarten in der Wiener Tanzszene: In dieser Woche finden die Hearings für die neue Intendanz des Tanzquartier Wien (TQW) statt. Die Findungskommission besteht im Wesentlichen aus dem Tanzquartier-Kuratorium (MA-7-Referatsleiter Robert Dressler, Künstlerin Sylvia Both, Theoretikerin Marty Huber, Tatjana Langasková, ehemalige Tanzkuatorin und jetzige Leiterin des Tschechischen Zentrums in Wien, und Kathrin Kneissel aus dem Kulturministerium) sowie Barbara Friedrich, Gründerin der Tanztage Berlin, und Medienkünstler Klaus Obermaier.

Bis zum Ende der Bewerbungsfrist am 15. Juni dieses Jahres hatten sich 22 Interessenten gemeldet. Die Findungskommission soll Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) einen Dreiervorschlag unterbreiten.
Gründungsintendantin Sigrid Gareis, seit 2000 im Amt, hat das Haus europaweit zu einer der wichtigsten Institutionen seiner Art gemacht und nennt im Gespräch mit dem Standard die Probleme, mit denen ihre Nachfolge ab der Saison 2009/10 umzugehen haben wird: "Das Kuratorium, das auch inhaltlich Mitsprache hat, ist ein veraltetes Modell, das für keine andere Einrichtung der Theaterreform gilt." Auch sei nicht festgelegt, wann und wie seine Mitglieder wechseln, die überdies "bundesweit ausgewählt werden, obwohl das TQW zu 100 Prozent städtisch ist".

Gareis lehnt das Kuratorium nicht prinzipiell ab, schlägt aber vor, es mit der Jury für die Konzeptförderung zu verbinden: Diese Jury sei "nicht in den ständigen Diskussionsprozess eingebunden, sondern beobachtet und evaluiert diese Institutionen alle vier Jahre nur einmal für zirka sechs Monate". Es würde Sinn machen, "wenn die Vertreter der Jury auch Kuratoren dieser Häuser wären und zwar zusammen mit Künstlern und Mitgliedern aus dem Ausland" . Problematisch sei auch, dass "der nächste Vierjahresetat des Tanzquartiers, den der neue Intendant ja verhandeln sollte, bereits im Frühjahr bei der Konzeptförderung eingereicht werden musste" .
Weiters bleibe die Situation mit den Hallen E und G im Museumquartier extrem schwierig, kritisiert Gareis. Das TQW habe weder einen Schlüssel für die Hallen noch einen eigenständigen Kassenplatz: "Wir mussten unter anderem lange auf einen Hinweis auf das TQW und auf ein Logo im Lageplan des Museumsquartiers drängen. Einmal hat man uns sogar das Publikum mit Gittern aus dem Theater ausgesperrt." Und oft wisse das TQW erst am jeweiligen Spieltag, welche Situation im Foyer zu erwarten sei: "Ob nicht alles zugerammelt ist mit Abba-Mania, Gala oder Sponsorevent."

Problem: die Untermiete

Zur Abhilfe schlägt Gareis vor, "in diesem Hallenkomplex - mit der Halle E und G als Tochter der Wiener Festwochen und der Kunsthalle Wien - ein Leitungsgremium der Hallen-Hauptnutzer einzurichten, um die gemeinsamen Angelegenheiten partnerschaftlich zu koordinieren". In Bezug auf das Tanzquartier stelle sich dabei allerdings auch die Frage, ob das Haus weiterhin als Untermieter oder als ein gleichberechtigter, gut strukturierter Kulturbetrieb positioniert sein solle.

Das dritte Problem liege in der Gesellschafterkonstruktion: "Das Haus wird letztlich wie ein stadteigener Betrieb geführt. Das TQW ist eine städtische GmbH, hat aber kein Board als Aufsichtsrat, sondern mit Bernhard Denscher eine Einzelperson, die als Amtsleiter der MA7 und zugleich Vorsitzender des TQW-Kuratoriums entscheidet, wenn es zwischen künstlerischer und kaufmännischer Leitung Probleme gibt. So ist die Abgrenzung zwischen Subventionsgeber und -nehmer kaum gegeben." Ihr Lösungsvorschlag: "Man sollte ein Board mit mehreren adäquaten Personen einrichten."

Vor einem Zurücktreten von der Theaterreform warnt sie: "Sie hat die lokale Tanzszene viel dynamischer, qualitätsvoller und internationaler gemacht. Es wäre schade, die Reform nach derart kurzer Zeit zurückzufahren, die professionellen Kuratoren abzuschaffen und zu einem laienhaften Beiratssystem zurückzugehen, das so renommierte Künstler wie Milli Bitterli und Philipp Gehmacher früher mit Peanuts abgeschmettert hat." (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe, 02.09.2008)