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Der Säbelzahntiger ist seit Jahrtausenden ausgestorben - gestresst sind wir aber immer noch.

APA/ Herbert Pfarrhofer

Die Spezies Mensch verdankt dem Stress ihr Überleben. Droht eine Gefahr, wird der Körper innerhalb weniger Sekunden in Alarmbereitschaft versetzt. So konnten unsere Vorfahren etwa bei einem Zusammentreffen mit einem Säbelzahntiger mit Flucht reagieren oder, wenn sie im Rudel unterwegs waren, blitzschnell angreifen. Bestimmte Körperfunktionen werden dafür aktiviert, andere vorrübergehend auf Eis gelegt. Säbelzahntiger sind längst ausgestorben, aber auch moderne Menschen benötigen Stress, um sich körperlich und seelisch weiterzuentwickeln. Dauerhafte Überforderung kann jedoch krank machen.

Eustress und Distress

Die Fachliteratur unterscheidet daher zwischen Eustress und Distress: Mit Eustress (eu: gut, schön) ist positiver Stress gemeint. Als Auslöser kommen Vorfreude, sportliche Aktivität, Verliebtsein oder berufliche Herausforderung in Frage. Manja Vollmann, Psychologin mit Schwerpunkt Optimismusforschung erklärt: "Positiver Stress spornt zu Höchstleistungen an. Wenn er nicht da wäre, würden wir uns langweilen und keine Anstrengungen mehr unternehmen."

Stressbewältigungs-Ressourcen

Wenn die Belastung zu stark ist, spricht man von Distress (dis: schlecht, krankhaft). Dieser Stress kann krank machen. "Der US-amerikanische Psychologe Richard S. Lazarus meint, dass Stress entsteht, wenn die Anforderungen nicht unseren Stressbewältigungs-Ressourcen entsprechen", sagt Vollmann. Denn im Körper kommt es zu Reaktionen, die ihn in ständige Alarmbereitschaft versetzen.

Produktion der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin

Der Organismus nimmt die Stressoren mit den Sinnesorganen wahr. Diese aktivieren über den Hypothalamus und bestimmte Gehirnbahnen das Vegetative Nervensystem. Dadurch wird der Botenstoff ACTH (adrenocorticotropes Hormon) in die Blutbahn ausgeschüttet. Über Sympathikusimpulse wird das Nebennierenmark zur Produktion der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin angeregt.

Stress schaltet Immunsystem ab

Die Hormone werden ins Blut abgegeben und verteilen sich so im ganzen Körper. Das bewirkt, dass alle Körperfunktionen, die nicht für eine schnelle Reaktion auf die Reize erforderlich sind, heruntergefahren werden. Der Blutdruck steigt, die Herzfrequenz erhöht sich und die Leber gibt vermehrt Zucker und Fette ins Blut ab. Gleichzeitig wird die Verdauung langsamer, Stoffabbau verhindert und das Immunsystem abgeschaltet.

Krankmachender Lebensstil

Anhaltender Stress kann Auswirkungen auf unser seelisches Wohlbefinden haben. "Negative Stressreaktionen gibt es auf drei Ebenen: Der emotionalen, der physiologischen und in der Verhaltenweise", meint Vollmann. Oft äußere sich Stress durch Konzentrationsschwäche, Schlaflosigkeit oder sogar durch Depressionen. Eine weitere Folge kann das Burn-Out-Syndrom sein. Man hat keine Energie mehr, fühlt sich völlig ausgebrannt und sieht keinen Sinn mehr in der Arbeit.

Körperliche Beschwerden

In der Burnout-Spirale bleibt der Organismus in ständiger Alarmbereitschaft, das führt zu körperlichen Beschwerden. Dann ist es Zeit, die Notbremse zu ziehen. Denn die Folgen von anhaltendem, krankmachendem Stress können Blutdruckanstieg, Gefässkrankheiten bis hin zu Herzmuskelschäden sein. Zudem neigen dauerhaft gestresste Menschen zu einem erhöhten Konsum von Tabak, Alkohol oder Medikamenten.

Auch das Verhalten ändere sich, sagt Vollmann: "Besonders Kinder sind dann von Kopfschmerzen betroffen, aber auch Erwachsene. Andere Auswirkungen sind Angst, Unzufriedenheit, Antriebslosigkeit, aber auch Aggressivität."

Dem Säbelzahntiger aus dem Weg gehen

Wichtig ist es, nur auf den eigenen Körper zu hören und sich nicht an anderen zu orientieren: Jeder Mensch hat eine andere Belastungsgrenze. Nicht die Situation ist ein Stressauslöser, sondern die individuelle Bewertung. "Die weit verbreitete Stresstheorie von Lazarus ist, dass Stress nicht nur von außen entsteht. Es liegt an unseren Ressourcen, wie wir mit dem Stress umgehen können", sagt Vollmann.

So hat sich vielleicht einer unserer Vorfahren bewusst dazu entschieden Jagd auf den Säbelzahntiger zu machen, während ein anderer den prehistorischen Raubkatzen lieber aus dem Weg gegangen sind. Genau das hat aber vielleicht sein Leben um ein paar Jahre verlängert. (jus, derStandard.at, September 2008)