"Es hat in den vergangenen Monaten, wo die Große Koalition nicht mehr funktioniert hat, natürlich große Unzufriedenheit geherrscht. Das Blockieren und Nichtsweiterbringen war problematisch und es hat die Leute von der Politik weggeführt."

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"Wer Brücken abbricht, der muss wissen, dass sie nach der Wahl schwerer zu bauen sind." Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) empfiehlt SPÖ-Chef Werner Faymann im derStandard.at-Interview, sich im Wahlkampf nicht mit der ÖVP anzulegen: "Er sollte bedenken, dass es auch einen Tag nach der Wahl gibt." Warum Pühringer in Hinblick auf die ÖVP-Wahlplakate kein "Oberlehrer" sein möchte und wieso er nicht an Wahl-Umfragen glaubt, erklärte er Rosa Winkler-Hermaden.

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derStandard.at: Sie waren einer derjenigen ÖVP-Politiker, die gegen die Neuwahlen waren. Haben Sie sich mittlerweile damit abgefunden?

Pühringer: Ich bin ein Demokrat. Ich war skeptisch, aber es hat eine mehrheitliche Entscheidung für diese Neuwahlen gegeben. Das nehme ich zu Kenntnis und jetzt kämpfe ich mit aller Kraft dafür, dass die ÖVP als erste über die Ziellinie geht.

derStandard.at: Warum beteiligt sich die ÖVP Oberösterreich dann nicht finanziell am Wahlkampf? Fehlt der Wille oder das Geld?

Pühringer: Wir unterstützen den Wahlkampf schon. Wir zahlen unsere Aktivitäten, die wir in Oberösterreich setzen, selbst. Wir zahlen nur keinen Bundesbeitrag weil es sich um eine Zwischenwahl handelt und weil wir diese nicht budgetiert haben. Wir sind im Dauerstress. Im nächsten Jahr haben wir Landtagswahlen und haben deswegen beim besten Willen keine verfügbaren Mittel.

derStandard.at: Die Wahlplakate hängen seit einigen Wochen. Wie gefallen Ihnen die bisherigen Plakate?

Pühringer: Die Wahlplakate sind Verantwortung des Bundes. Ich bin kein Oberlehrer. Bei Plakaten haben zehn Leute zehn Meinungen, da ist jeder Spezialist. Bei dieser Jury betätige ich mich nicht.

derStandard.at: Auf einem Plakat ist die Forderung „Wer bei uns lebt, muss unsere Sprache lernen" zu lesen. Das könnte auch auf einem FPÖ-Plakat zu lesen sein.

Pühringer: Nein, das ist unsere Position. Sprache ist erforderlich um Integration zu ermöglichen.

derStandard.at: Ist das Integrationsthema ihrer Meinung nach wahlentscheidend?

Pühringer: Es ist ein wichtiges Thema. Ob es wahlentscheidend ist, sieht man erst am Tag nach der Wahl. Ich glaube, dass das Thema an Bedeutung gewonnen hat. Die Zahl der Bürger, die aus dem Ausland zu uns kommen, hat sich erhöht. Es gibt Konzentrationen von Ausländern in Österreich an einigen Orten, dort sind nachgewiesener Weise Probleme aufgetreten.

derStandard.at: Hannes Missethon, der Generalsekretär der ÖVP, hat gemeint dass es in Wien Ausländerghettos gibt. Würden Sie das von Oberösterreich behaupten?

Pühringer: Es gibt in manchen Großgemeinden Probleme, die sind aber unvergleichbar mit der Bundeshauptstadt.

derStandard.at: In der Tiroler Tageszeitung wurde berichtet, dass Tiroler Christgewerkschafter nun den Tiroler Rebellen Fritz Dinkhauser unterstützen wollen, weil Sie mit dem Spitzenkandidaten Wilhelm Molterer nicht einverstanden sind. Was sagen Sie dazu?

Pühringer: Tirol ist etwas anders. Man darf die Geschichte, die Dinkhauser dort hat, nicht übersehen. Aber ich glaube nicht, dass das Phänomen auf Oberösterreich zutrifft.

derStandard.at: Wird Fritz Dinkhauser Chancen haben, in den Nationalrat einzuziehen?

Pühringer: Sicher ist es nicht. Ich glaube nicht, dass er in Tirol ein Grundmandat macht. Und wenn er das nicht macht, wird es schwierig den Einzug zu schaffen. Es gibt diesmal sehr viele Kleinparteien und Protestparteien.

derStandard.at: Worauf führen Sie das zurück, dass so viele Protestparteien kandidieren? Ist die Unzufriedenheit mit der Politik so groß?

Pühringer: Es hat in den vergangenen Monaten, wo die Große Koalition nicht mehr funktioniert hat, natürlich große Unzufriedenheit geherrscht. Das Blockieren und Nichtsweiterbringen war problematisch und es hat die Leute von der Politik weggeführt. Das war ein guter Nährboden für Protestparteien.

derStandard.at: Sie haben in einem Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten gesagt, Wilhelm Molterer sei kein "Showman". Sagen Sie das auch nach dem TV-Duell am Donnerstag?

Pühringer: Ich habe es noch nicht gesehen, ich war auf einer Veranstaltung. Aber ich kann bestätigen, dass er kein Showman ist. Er ist der versierteste Sachpolitiker, den ich kenne. Es gibt keinen, der soviel Kompetenz hat, der so ein Querschnittswissen hat.

derStandard.at: Muss man heutzutage nicht ein Showman in der Politik sein?

Pühringer: Das muss man nicht. Sonst würde sich der Wilhelm Molterer nicht seit zwanzig Jahren in der Politik halten.

derStandard.at: Um nocheinmal auf die Kritik der Christgewerkschafter in Tirol zurückzukommen: AK-Chef Erwin Zangerl hat gemeint, dass sich viele Arbeitnehmer schwer tun, die ÖVP zu wählen. Sie würden eher der SPÖ die Stimme geben wegen des 5-Punkte-Programmes der SPÖ. Sind Sie auch der Meinung, dass man der SPÖ mehr Zustimmungen entgegenbringen sollte?

Pühringer: Ich sehe das sehr differenziert. Es gibt einige Punkte, die von uns auch gefordert wurden. Die verbesserte Pflege, die 13. Familienbeihilfe. Ich halte aber die Mehrwertsteuersenkung generell auf Lebensmittel - vom täglichen Brot und der Butter, bis zum Kaviar, und vom Generaldirektor bis zum Sozialhilfeempfänger - für undifferenziert. Es ist keine zielsichere Maßnahme gegen die Teuerung. Da sind Maßnahmen notwendig, für jene, die es brauchen.

Viele Forderungen des Fünf-Punkte-Programmes hat Faymann abgeschrieben. Das Problem ist auch, dass Faymann sich im Parlament Mehrheiten suchen will entgegen der Koalitionsgrundsätze. Er ist ein Politiker des gebrochenen Wortes. Er sollte bedenken, dass es auch einen Tag nach der Wahl gibt.

derStandard.at: Sie sprechen eine mögliche Neuauflage der Koalition zwischen SPÖ mit der ÖVP an. Wird eine Zusammenarbeit durch das Verhalten Faymanns undenkbar?

Pühringer: Das wird schwieriger. Wer Brücken abbricht, der muss wissen, dass sie nach der Wahl schwerer zu bauen sind.

derStandard.at: Die SPÖ hat aber durchklingen lassen, dass Sie nach der Wahl gerne wieder eine Große Koalition hätte - allerdings mit anderen Personen als Wilhelm Molterer in der ersten Reihe.

Pühringer: Zuerst sprechen die Wähler. Dann haben die Politiker daraus das Beste für dieses Land und seine Menschen zu machen. Es ist müßig, wenn so viele Parteien antreten, im Vorhinein Koalitionsspiele durchzuführen. Man wird sehen, was möglich ist.

derStandard.at: Aber haben Sie Präferenzen? Würden Sie Schwarz-Grün auf Bundesebene befürworten?

Pühringer: Ich bin der Meinung, dass man Schwarz-Grün im Vorhinein nicht ausklammern kann, man kann es aber auch nicht Eins zu Eins vom Land auf den Bund übertragen. Das sind andere Personen und es ist eine andere Themenlage. Die Bundespolitik ist ideologischer. Es ist auch fraglich, ob sich diese Option prozentmäßig ausgehen wird.

derStandard.at: Gilt dasselbe für Schwarz-Blau?

Pühringer: Dazu hat der Bundesparteiobmann bereits das Notwendige gesagt.

derStandard.at: Also nicht mit Strache?

Pühringer: Jede Partei, die mit der ÖVP koalieren will, muss einige Fragen beantworten und es muss einen breiten Konsens in der Europa- und Außenpolitik geben.

derStandard.at: Es kann sein, dass nach der Wahl erstmals eine Dreierkoalition zustande kommt. Ist das ein Modell der Zukunft?

Pühringer: Auch das ist nicht auszuschließen. Ich warne alle davor, die glauben, eine Dreierkoalition ist einfacher handzuhaben als eine Zweierkoalition. Der flotte Dreier funktioniert in der Regel nicht.

derStandard.at: Die ÖVP liegt in Umfragen momentan bei 26 Prozent. Das ist um 8 Prozent weniger als bei der Nationalratswahl 2006. Wieviel kann die ÖVP in den letzten Wochen jetzt noch aufholen?

Pühringer: Ich glaube diese Umfragen nicht. Bei zehn oder noch mehr Parteien schauen die Wahlergebnisse aber natürlich anders aus als bei vier oder fünf Parteien. Der Volksmund sagt: "Jede Laus frisst" - jede Partei holt sich ein kleines Stück vom Kuchen. Das spüren natürlich die Großen ganz besonders.

Es wir auf jeden Fall alle Anstrengung notwendig sein, damit wir die Nummer eins werden. (derStandard.at, 2.9.2008)