Salzburg - Nicht nur in der Salzburger Getreidegasse animieren "Stolpersteine" Passanten zum Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus. Insgesamt liegen in der Mozartstadt seit Ende August 38 solcher dezentraler Mahnmale. "Um den Stein lesen zu können, muss man sich vor dem Opfer verbeugen", sagt Gunter Demnig, der Erfinder des Projekts. Das lässt sich in der Getreidegasse besonders gut beobachten.

Foto: Markus Peherstorfer

Der Kölner Künstler Gunter Demnig (links) verlegt seine Stolpersteine schon seit über zehn Jahren. Inzwischen sind es um die 16.000, die meisten davon liegen in Deutschland, aber auch in Italien, Ungarn oder den Niederlanden. Jeder Stein hat einen Paten, der die Aktion mit einem Beitrag von 95 Euro möglich macht. Salzburgs Landeshauptfrau-Stellvertreter David Brenner (SPÖ) etwa, rechts im Bild, hat für zwei Steine die Patenschaft übernommen.

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Einer jener 26 Steine, die Demnig heuer in Salzburg verlegt hat, erinnert an Oberlandesgerichtsrat Johann Langer. Er hatte nach dem gescheiterten nationalsozialistischen Juliputsch 1934 in Salzburg die Verhandlungen gegen Nazis geführt, die Gendarmerieposten überfallen hatten. Nach dem "Anschluss" traf ihn ihre Rache: Am 8. April 1938 wurde er ins Konzentrationslager Dachau deportiert, sechs Monate später starb er dort.

Foto: Thomas Neuhold

Die Idee hinter der Aktion ist, dass die "Stolpersteine" jeweils vor dem letzten frei gewählten Wohnsitz des jeweiligen NS-Opfers liegen. Im selben Haus wie Richter Langer in der Rainerstraße 4 hatte 1938 auch Daniel Bonyhadi gewohnt, der damals zum Vorstand von Salzburgs Israelitischer Kultusgemeinde gehörte. Mit ihm zusammen lebten dort auch seine Söhne Edgar und Ludwig sowie Ludwigs Frau Gertrude.

Foto: Markus Peherstorfer

Zur Verlegung waren mit Miriam Davidow (rechts) und Ernest Bonyhadi auch Nachkommen der Bonyhadis aus den USA angereist. Ernest Bonyhadi sagte, das Projekt trage dazu bei, nicht in der Vergangenheit zu leben, aber von ihr lernen zu können. Im Hintergrund: Ingeborg Haller, Gemeinderätin der grünen Bürgerliste und eine der Initiatorinnen des "Personenkomitees Stolpersteine" in Salzburg.

Foto: Markus Peherstorfer

Grundgedanke der Stolpersteine ist es, aller Opfergruppen des Nazi-Regimes zu gedenken. So erinnern in Salzburg Steine nicht nur an Juden oder "Zigeuner", sondern auch an Menschen mit Behinderung, die der "Euthanasie" zum Opfer gefallen sind, an Zeugen Jehovas und an politisch verfolgte Kommunisten und Sozialisten oder auch an Menschen, die wegen antinazistischer Äußerungen im KZ landeten.

Foto: Markus Peherstorfer

Gert Kerschbaumer ist einer jener Salzburger Historiker, die im Auftrag des Personenkomitees die Biografien der Opfer recherchieren. Im Bild erläutert er die Geschichte des "Zigeunerlagers" am Stadtrand nahe der Kendlersiedlung. In diesem Lager waren bis zu 300 Sinti aus Süddeutschland und Westösterreich interniert; die wenigsten von ihnen überlebten die Nazi-Herrschaft.

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Mitarbeiter der Salzburger Magistratsabteilung 6/04 schaffen am Schwarzgrabenweg Platz für neun weitere Stolpersteine zum Gedenken an in Auschwitz ermordete Sinti. Marko Feingold, Vorsitzender von Salzburgs Israelitischer Kultusgemeinde und selbst Holocaust-Überlebender, verfolgt das Geschehen. "Nicht nur Juden waren Opfer, sondern alle", sagt er.

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An die 160 Todesopfer aus dem "Lager Maxglan" sind dokumentiert; da sie sich nicht freiwillig dort aufgehalten haben, beschränken sich die Stolpersteine auf jene Kinder, die in Unfreiheit zur Welt kamen. Eine von ihnen war Juliana Krems, geboren am 26. April 1940 als Tochter von Rosina und Jakob Krems. Am 3. September 1943, im Alter von dreieinhalb Jahren, wurde sie in Auschwitz ermordet.

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Im Sommer 2009 sollen die nächsten Stolpersteine in Salzburg verlegt werden. Die Aktion gibt es aber auch in anderen österreichischen Städten wie Wels, Mödling oder Braunau. Mehr Informationen gibt es auf Gunter Demnigs Website; für Salzburg sind die Stolpersteine auf www.stolpersteine-salzburg.at dokumentiert. (Markus Peherstorfer)

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