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Bernhard Kohl hat seine "Körner heuer bereits verschossen". Und zwar als Dritter und Bergkönig der Tour de France.

APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER

Kitzbühel - Das ist ein Märchen, dass Radfahrer nur nach oben zu buckeln und nach unten zu treten haben. Sie müssen, wenn's drauf ankommt, auch die Bremse ziehen. Bernhard Kohl aus Wolkersdorf, der Dritte der Tour de France, hat schon vor der heute, Freitag, beginnenden Deutschland-Tour angezogen. "Es ist unrealistisch, dass ich vorn mitfahre", sagt der 26-Jährige. "Die Vorbereitung war ganz und gar nicht so, wie ich sie mir normalerweise vorstelle."

Kohl will seinem deutschen Gerolsteiner-Teamkollegen Markus Fothen helfen. Und doch wird er zunächst selbst im Mittelpunkt stehen, schließlich findet der Prolog in Kitzbühel statt, auch die erste Etappe am Samstag rollt noch in Österreich ab, sie führt über den Pass Thurn und den Gerlospass und endet mit einer Bergankunft in Hochfügen. Das Ziel der Deutschland-Tour steht am 6. September in Bremen, wo in einem 34-km-Zeitfahren und nach insgesamt 1408 Kilometern die Entscheidung fällt. Ohne Kohl, der zuletzt zahlreiche öffentliche Auftritte zu absolvieren und keine Zeit zur Regeneration hatte. "Andere haben sich viel gezielter vorbereitet. Und wenn du im Radsport nicht total fokussiert bist, hast du keine Chance."

Die Favoriten kommen vorrangig aus Deutschland - etwa Jens Voigt, der nach zwei Deutschland-Toursiegen den Hattrick anstrebt, oder Linus Gerdemann, der weder Tour de France noch Olympia in den Beinen hat. Dazu kommen Christian Knees sowie der starke Russe Wladimir Karpets. Etliche Stars ziehen die gleichzeitig ausgetragene Vuelta vor, allen voran der Spanier Alberto Contador, der im Vorjahr die Tour de France und heuer den Giro gewann. In Spanien sind weniger strenge Dopingkontrollen zu erwarten als in Deutschland, wo erstmals Insulin-Tests die obligatorischen Kontrollen auf EPO, Wachstumshormone, Testosteron und Fremdblut ergänzen.

Auch Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer denkt, dass Kohl "seine Körner heuer bereits verschossen" hat. Laut Holczer hat Gerolsteiner die Hoffnung auf einen neuen Sponsor endgültig aufgegeben, das Team werde sich auflösen. "Sollten noch bestehende Sponsorenkontakte wie alle bisherigen im Sand verlaufen, kommt es Ende Oktober in unserer Teamzentrale auch zum materiellen Ausverkauf des Teams."

Nach der für das Team äußerst erfolgreichen Tour de France mit dem Bergtrikot und dem dritten Gesamtrang Kohls sowie zwei Schumacher-Etappensiegen hatte sich Holczer noch optimistisch gezeigt, doch auch die Kontakte mit potenziellen Geldgebern erbrachten offenbar nichts. Kohl macht sich keine neuen Sorgen, er wurde von vielen Topteams umworben, hat sich bereits einen neuen Arbeitgeber ausgesucht, will seine Entscheidung am 8. September in Wien verraten. "Bis dahin wird man von mir nichts erfahren."

In Deutschland, das quasi in Kitzbühel beginnt, strampeln sich neben Kohl auch René Haselbacher (Astana) und das Team Volksbank (mit Glomser, Ludescher) für Österreich ab. (fri, sid, APA, DER STANDARD Printausgabe 29.08.2008)