Alpbach - Die Finanzmisere im österreichischen Krankenkassenwesen scheint in der öffentlichen Diskussion Patienten zu Kostenverursachern, Ärzte zu Zugangswächtern zum Gesundheitswesen ("Gatekeeper") und die Kassen selbst zu Zahlern zu machen. In einem Gespräch mit der APA anlässlich der heute, Donnerstag, beginnenden Gesundheitsgespräche beim Europäischen Forum Alpbach drehte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Walter Dorner, den sprichwörtlichen Spieß um. "Die Krankenkasse verwaltet das Geld der Patienten. Kunde des Arztes ist der Patient." Der Arzt sei nicht primär den Kassen, sondern dem Kranken verpflichtet.

Bei den Gesundheitsgesprächen geht es in diesem Jahr in Alpbach (28. bis 30. August) um das Thema "Gesundheitssysteme: Möglichkeiten und Grenzen". Dorner bestreitet in diesem Zusammenhang nicht die Notwendigkeit von Reformen im österreichischen Gesundheitswesen: "Es gibt immer Verbesserungsmöglichkeiten. Auch wir wollen das Gesundheitswesen weiterentwickeln. Stillstand ist ein erster Rückschritt. Und natürlich müssen wir auch an den Strukturen etwas ändern."

Kdolsky: Gesundheitsreform im Zeitplan

Aktuell benötigen die österreichischen Krankenkassen - vor allem die Gebietskrankenkassen - mehr Geld. Damit wird sich die nächste Bundesregierung schon sehr bald beschäftigen müssen, nachdem das geplante Finanzierungspaket vor dem Bruch der SP-VP-Koalition nicht mehr beschlossen werden konnte. Doch die eigentliche mittelfristige Gesundheitsreform liegt für Ministerin Andrea Kdolsky grob im Zeitplan. "Etwa 2013 wären alle Voraussetzungen gegeben. Man könnte versuchen, 'scharf' zu stellen", erklärte die Ressortchefin.

Prozess mit Anpassungen des Systems

Für Österreich will die Ministerin die akuten Finanzsorgen vor allem der Gebietskrankenkassen nicht mit den von ihrer Vorgängerin Maria Rauch-Kallat bereits eingeleiteten generellen Reformschritten verquickt sehen. Andrea Kdolsky: "Das Wesentliche ist, dass es 'die Gesundheitsreform' nicht gibt. Es handelt sich um einen Prozess mit Anpassungen des Systems."

Hier sei Österreich auf gutem Weg. Die Ministerin: "Bis Ende 2008 sollen die regionalen Strukturpläne der Bundesländer vorliegen. Die ersten (jene der Steiermark, Oberösterreichs und Salzburgs, Anm.) sind bereits in meinem Ministerium eingetroffen. Wir sind mit der Gesundheitsreform in etwa im Zeitplan." Derzeit werde zum Beispiel auch das LKF-System (leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung, Anm.) auf den ambulanten Sektor der Krankenhäuser samt tagesklinischen Einrichtungen angepasst und ausgeweitet.

E-Health-System

Kombiniert werden müsse das mit einem E-Health-System. Die Ministerin: "Hier sind wir in Österreich schon seit der Einführung der E-Card in einer extrem glücklichen Lage, um die uns andere Länder beneiden." Man sollte bei Kritik am ELGA-Projekt (Elektronische Gesundheitsakte) nur nicht "die Patienten in Geiselhaft" nehmen und Ängste schüren. Andrea Kdolsky: "Es wird keinen zentralen Speicher geben, wo alle Daten drin sind. Die E-Card dient nur als 'Schlüssel'."

Zum Teil missverstanden

Kdolsky fühlt sich nach den scharfen Diskussionen der vergangenen Monate zum Teil missverstanden. Dies gelte auch für Kritik der Ärztekammer, die sich zunächst an dem Plan für die Schaffung von ambulanten Versorgungszentren (AVZ) entzündete: "Ich wollte nie etwas anderes als es die Ärztekammer fordert. Das Einzelkämpfertum von niedergelassenen Ärzten wird in Zukunft vorbei sein. In Österreich gehen die Patienten nicht in die Spitalsambulanzen aus Bösartigkeit, sondern weil sie 'weiße Flecken' in ihrem Bereich finden. Kinder fangen zumeist am Wochenende oder Nacht zum Fiebern an. Wenn wir die medizinischen Leistungen wohnortnah verlagern, müssen wir auch die rechtlichen Bedingungen dafür schaffen." (APA)