Um sinnlich zu erfahren, in welchem Land wir leben, sollte man sich das Folgende laut vorlesen (am besten im Tonfall eines Kindergedichts beim 90. Geburtstag der Uroma):

"Seit alters ist's der Weisen Sitte, / Stets einzutreten für die Mitte. / Wie glücklich ist doch unser Staat! In Werner Faymann wird sie Tat! Mit klarem Wort und offnem Blick / macht er die beste Politik!"

Dieser publizistische Schleimbatzen erschien in der Krone vom 26. August unter "Wolf Martin" auf Seite 2. Schade, dass Alexander Van der Bellen in der TV-Konfrontation das nicht vorgelesen und Faymann gefragt hat, ob er sich dafür nicht in Grund und Boden geniert - nach seinem EU-Brief an die Krone.

Irgendwo wird es ihm schon peinlich sein. Aber Faymann hat sich offenbar eine Lebensstrategie zurechtgelegt: über alles freundlich drüberlächeln, verbindlich sein, das "Gemeinsame" betonen, sich immer darauf verlassen, dass der andere bei irgendeinem Deal schon mitzieht. Es ist ja auch dessen Interesse. Dabei um jeden Preis harte Entscheidungen vermeiden, schon überhaupt in Grundsatzfragen. Man konnte das im TV-"Duell" schön verfolgen. (Hans Rauscher, DER STANDARD; Printausgabe, 28.8.2008)