Die vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo überbrachte Frohbotschaft ist Wasser auf die Mühlen wahlkämpfender und steuergeld-verteilender Politiker aller Coleurs: Wifo-Chef Karl Aiginger hält eine Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung für vernünftig und kann sich sogar eine Erhöhung der Forschungsprämie von acht auf zwölf Prozent vorstellen. Das ist mehr als von der Industrie erträumt, sie drängte stets auf zehn Prozent. Der Wifo-Chef knüpft höhere fiskalische Förderungen allerdings an mehrere Bedingungen, die politische Entscheidungsträger eher ungern hören:

  • Man braucht eine deutliche Vereinfachung des über die Jahre sehr unübersichtlich und kompliziert gewordenen Systems der indirekten Förderung. Sie besteht derzeit aus Forschungsfreibetrag alt (25 bzw. 35 Prozent für sogenannte "volkswirtschaftlich wertvolle Erfindungen"), FFB-neu (25 Prozent laut Frascati-Definition), FFB für Auftragsforschung (25 Prozent), Forschungsprämie (acht Prozent, auch für Betriebe, die keine Gewinne schreiben) und Forschungsprämie für Auftragsforschung. Ein Mix, den nicht einmal mehr Steuerberater durchschauen. "Viel zu komplex und unübersichtlich", kritisiert Aiginger, das gehöre unbedingt bereinigt, mehr als ein Freibetrag und eine Forschungsprämie seien nicht notwendig.

Spielraum für Erhöhungen sollte vorhanden sein. Denn der Steuerentgang aus den bestehenden Maßnahmen betrug 2005 schätzungsweise rund 250 Millionen Euro. Den Einwand, dieser Aufwand könnte selbst für das Jahr 2005 theoretisch noch steigen, weil Unternehmen ihre Steuererklärung noch nicht gemacht haben, schätzen Steuerexperten als geringe Gefahr für das Haushaltsdefizit ein, weil "die großen Nehmer", also Großbetriebe und Konzerne mit Millionenbeträgen, ihre Bilanzen längst gelegt hätten. Und: Die Schiene Auftragsforschung sei unbekannt und ungenutzt.

  • Programm- und Instrumentenvielfalt ist zu groß. Wie zuletzt in den Brüsseler Reports von Erawatch und Crest kritisiert, bemängelt auch das aus Wifo, Prognos, KMU Forschung Austria und Convelop zusammengesetzte Evaluierungsteam die ausufernde Programmvielfalt in Österreich, die Schwerpunktbildung vermissen lasse. Niederschwellige Programme sollten auf Klein- und Mittelbetriebe fokussiert werden.
  • Mehr Wettbewerb und Effizienz bei der Mittelvergabe sei insbesondere in der Grundlagenforschung notwendig, allen voran bei den Universitäten. Der Topf für Anträge und Einreichungen durch die Forscher (Bottom-up) sollte dringend höher dotiert werden, wobei die von Infrastruktur- und Wirtschaftsministerium finanzierten Evaluatoren bei der Direktförderung eine "stärkere Selektion nach Risiko und Radikalität" für notwendig erachten. Sie solle Spitze, Mission und Cluster fördern. Für Betriebsansiedlungen oder -erweiterungen mit Forschungszentrale bedürfe es spezieller, zielgerichteter Programme.

Andernfalls, warnt der Wifo-Chef, sei die dringend notwendige Steigerung bei den F&E betreibenden Betrieben schlicht nicht zu erreichen. Deren Zahl wird derzeit auf 2000 bis 2900 geschätzt.

  • Governance-Probleme gehören beseitigt. Das Hauptproblem ist so alt wie die Forschungspolitik in Österreich: Ministerielle Mehrfachzuständigkeiten wie bei Forschungsförderungsgesellschaft FFG und Förderbank AWS (gehören je zur Hälfte Infrastruktur- und Wirtschaftsministerium) verwässern nicht nur die Verantwortlichkeit, sondern auch Strategiefindung- und -umsetzung durch die Förderagenturen selbst. Daher sollte jede Agentur einem Strategieziel zugeordnet sein "und nicht mehrere Agenturen einem Ziel", wie Aiginger süffisant anmerkt. Co-Zuständigkeiten erschwerten Organisation, Abstimmungsprozesse und vor allem die strukturelle Überwachung, zumal es mit Bund, EU, Ländern und Ministerien ohnehin viele Hierarchien und Ebenen gebe. Außerdem klafften inhaltliche und finanzielle Verantwortung auseinander. Dass externe und internationale Experten einzubeziehen sind, versteht sich von selbst. "Jede Aktion muss ein Strategieziel, Eigentümer (Financiers) und Agenten haben", stellt Aiginger klar.
  • Man braucht neue Finanzierungsquellen. Um den Bedarf nach höheren Investitionen in F&E und zugleich die gesellschaftliche Awareness zu verbessern, bringt das Wifo eine alte Forderung aufs Tapet: die Einrichtung privater Stiftungen für Forschungszwecke und die steuerliche Begünstigung von Sponsoring. In die Pflicht nehmen würde das Wifo bei Forschungsfinanzierung und Wissenstransfer auch die Gemeinden.
  • Migration und Bildung sollten verbunden werden, indem das Potenzial der Migranten genützt (und selbige nicht unter ihrer Qualifikation eingesetzt werden) und/oder verbessert wird - durch kostenlos nachgeholte Schulabschlüsse. "Österreich hat keine Alternative, es kann nur den Innovationswettbewerb gewinnen, denn den Preiswettbewerb können wir nur verlieren", wiederholt Aiginger seinen bereits mehrfach ausgesprochenen Appell.

Detail am Rande: Doppelförderungen kann die Evaluierung nicht aufspüren, denn die Republik gewährt den Forschern unter Berufung auf das restriktive Statistikgesetz keinen Zugang zu Firmendaten. Das wiederum führe zu einem Konkurrenzdefizit und verwässere die Grundlagen für wirtschaftspolitische Entscheidungen. (Luise Ungerboeck/DER STANDARD, Printausgabe, 27.8.2008)