Grafenegg - Ein junger Bursch bekommt einen neuen Job, er verliebt sich, das Ganze geht schief und er ertränkt sich. So einfach, fast schablonenhaft die Rahmenhandlung von Schuberts Liederzyklus "Die schöne Müllerin" , so komplex stellt sich die emotionale Detailarbeit dar, vor allem dann, wenn ein Interpreten-Duo wie Michael Schade und Rudolf Buchbinder - zugleich künstlerischer Leiter des Musikfestivals Grafenegg - die verschiedenen Schichten dieser musikalischen Reflexion messerscharf herausarbeitet.

Wird der Müller am Sonntag in Grafenegg zu Beginn noch mit sprühendem Optimismus präsentiert, so verändern sich Timbre und Tongebung im weiteren Verlauf teilweise radikal. Dort, wo die Emotionen frei zutage treten, färbt Schade seinen hellen, klaren Tenor immer wieder mit dunklen Farben ein und lässt ihn trotz der enorm weit gespannten Linienführung unsicher und leicht brüchig wirken.

Man spürt dabei förmlich, wie sehr der tragische Protagonist emotional auf äußerst dünnem Eis wandert. Wenn sich zur Liebe dann noch die Eifersucht gesellt, wandelt sich diese ehrliche, aber naive Hinneigung zur Hilflosigkeit. Schnell, fast atemlos und unruhig hetzt die Musik vorbei, um bei "Die liebe Farbe" in fahlen, ausgebrannten Tönen zu enden.

Trotz dieser plastischen und von Schade mit vielerlei Gestik unterstrichenen Darstellung gelingt es den beiden Interpreten im vollen und für die Intimität von Liederabenden eigentlich zu großen Auditorium, sich durch die enorm feine Nuancierung vor allem im Pianobereich von einer plakativen, opernhaften Theatralik klar abzugrenzen.

Buchbinders Spiel fängt souverän die verschiedenen und oft stark kontrastierenden gesanglichen Stimmungen auf und bettet sie in weite, die Struktur der Lieder verdeutlichende Bögen.

Fern jeder Emotion

Durch die Reinheit in der Darstellung äußerst doppelbödig wird der zweite Protagonist dieses Zyklus‘, der Bach, präsentiert, ist er es ja, der den Müller zu seinem Unglück führt und ihn gegen Ende auch als Leichnam aufnimmt. In diesem letzten Lied bewegen sich Schade und Buchbinder fern jeder Emotion, alles ist bedeckt von reinen, pastellfarben weichen Klängen, die, visualisierte man das Bild, das sie besingen, fast schon erschreckend wirken würde.

Der leider viel zu schnell einsetzende Applaus - die Musik hatte kaum Zeit, auszuschwingen - riss einen dann aber schnell in die Realität zurück. (Robert Spoula, DER STANDARD/Printausgabe, 26.08.2008)