Foto: Institut for American Studies

Der Parteitag der Demokraten könnte noch spannend werden. Es gehe darum die Hillary-Unterstüzter zu überzeugen, sagt Christer S. Garrett.

Es ist die Breite und Schnelligkeit mit der Informationen verbreitet werden, die diesen Wahlkampf zu etwas Neuem macht, sagt Crister S. Garrett vom Institut for American Studies in Leipzig im derStandard.at-Interview.

Der Parteitag der Demokraten müsse auch die Hillary-Unterstützer von Obama überzeugen. Joseph Biden, Obamas Vize, solle Obamas bisherige Schwächen ausbügeln und weiße, konservative Männer dazu bringen demokratisch zu wählen. Obamas Strategie würden beim nächsten Mal auch die Republikaner übernehmen – so wie auch die Demokraten sich einiges von Carl Rove, dem Wahlkampfberater von George W. Bush, abgeschaut haben.

derStandard.at: Ist das was wir derzeit an Inszenierung erleben etwas gänzlich Neues, oder hat sich nur die Intensität verstärkt?

Garrett: Das ist schon etwas Neues. Neu ist die Breite und die Schnelligkeit, mit der Informationen verbreitet werden können. Zum Beispiel mit der Website "Fight the Smears" kann Obama schnell auf Vorwürfe der Republikaner reagieren. Das ist eine Möglichkeit eine einheitliche Erzählung, eine einheitliche Geschichte eines Kandidaten, aufrecht zu erhalten. Auch nachdem ein neues Buch über Obama von einem Autor (Jerome R. Corsi, Anm.) herausgekommen ist, der schon Obamas Vorgänger John Kerry massiv geschadet hat, gab es sofort eine 40-Seiten lange Gegendarstellung des Obama-Teams auf dieser Website.

derStandard.at: Waren die Parteitage schon einmal eine derart umfassende Inszenierung?

Garrett: Die Parteitage waren immer schon eine große Sache. Früher hatte allerdings der Inhalt mehr Bedeutung. Es stand mehr auf dem Spiel. Bei den Demokraten gibt es diesmal Konfliktpotential. Mehr als bei den Republikanern. Dort ist alles perfekt durchgeplant. Aber bei den Demokraten könnte es sein, dass einige Hillary-Unterstützer Krach machen. Hillary kandidiert ja auch offiziell auf dem Parteitag. Es kommt darauf an wie gut es Obama schafft, diese Wähler von sich zu überzeugen. Eine von der New York-Times veröffentlichte Umfrage sagt, dass etwa 50 Prozent der Hillary-Wähler jetzt Obama unterstützen. Die andere Hälfte ist noch nicht ganz überzeugt. Diese Gruppe muss Obama überzeugen. Dabei spielt der Parteitag eine große Rolle.

derStandard.at: Welche Rolle spielt Obamas Vize Joseph Biden? Welche Wählerschichten spricht er an? Könnte er diejenigen Stimmen wieder aufwiegen, die die Demokraten von den enttäuschten Hillary-Unterstützern jetzt nicht bekommen?

Garrett: Das ist die Frage. Biden kommt gut bei weißen, konservativen Männern an. Das ist genau die Wählerschicht bei der Obama bisher Probleme hat. Biden ist katholisch, lebt seinen Glauben, ist ein Familienmensch, der jedes Wochenende zu Hause bei seiner Familie verbringt. Biden ist jemand, der auch mal ein Bier oder einen Whiskey bei einem Wahlkampftermin trinken kann – und bei ihm wirkt das authentisch.

derStandard.at: Was sind Unterschiede zwischen den Strategien von Obama und McCain?

Garrett: McCain hat zwar auch versucht, in seinem Wahlkampf mehr auf das Internet zu setzen. Aber Obama ist diesbezüglich gewiefter. Er bekommt noch immer die meisten seiner Wahlkampfspenden über das Internet. Obama hat so auch mehr Kontakt zu jüngeren Wählern. McCain weiß zwar, dass er da ein Problem hat. Aber er setzt auf Wählerschichten, für die das Internet noch keine große Rolle spielt.
Die Obama-Kampagne hat diesbezüglich ein wirklich neues Kapitel aufgeschlagen. Nicht nur über Internet, sondern auch über SMS/MMS werden die Wähler auf dem Laufenden gehalten. So ist es möglich, eine Botschaft konsequent zu verbreiten und nuanciert darzustellen. Das bedeutete aber auch das Ende eines regulären Arbeitstages in einem Wahlkampf. Es gibt keine 9-5 Jobs mehr. Die Botschaft, dass Joseph Biden Obamas Vize wird, kam beispielsweise um drei Uhr nachts via SMS.

derStandard.at: Obama ist in Hinsicht auf die Nutzung neuer Medien ein Vorreiter. Gab es bisher schon Präsidentschaftskandidaten, die andere Trends gesetzt haben, die dann in das reguläre Wahlkampf-Repertoire aufgenommen wurden?

Garrett: Ja die gab es. Zum Beispiel Carl Rove, der Berater von George W. Bush, hat mit dem sogenannten Micro-Campaigning neue Maßstäbe gesetzt. Durch die massive Sammlung von Informationen über potentielle Wähler, war es möglich, die Wahlkampagne auf deren Anliegen zurechtzuschneiden. Viertel um Viertel wurden Werbebriefe mit anderem Inhalt verschickt. Das hatte die Wirkung, dass die Menschen sich dachten, die kennen unsere Sorgen. (Michaela Kampl, derStandard.at, 25.8.2008)