Elegische Momente der Stille: "Tanin No Kao", die jüngste Produktion der französischen Formation Kubilai Khan Investigations

Foto: Tanzquartier

Vor sechs Jahren begeisterte die eben gegründete französische Formation Kubilai Khan Investigations das Wiener Publikum. Nun gastiert sie erneut im Tanzquartier.

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Wien - Ein junger Mann auf der vermeintlichen Suche nach einem neuen, besseren Leben. Ob er aus Asien kommt oder aus Afrika, wissen wir nicht. Was wir erfahren, ist, dass er auf dem Flughafen in Paris gegen seine Abschiebung kämpft und dabei zu Tode kommt. Ein Vorfall, der auch auf einem anderen europäischen Flughafen passieren hätte können.

Den Bericht über den so verstorbenen Arunumun Sivansapu hat die französische Formation Kubilai Khan Investigations wahrgenommen, hat ihn als Ausgangspunkt für das vor zwei Jahren entstandene Stück Tanin No Kao, zu Deutsch "Das Gesicht der anderen", gemacht. Mehr als Fakten sind auch ihnen nicht bekannt. Diese Fakten - veranschaulicht im Bild, als Video, - segmentieren die gut einstündige Aufführung. Eine Aufführung, die sämtliche humane Probleme, fatal ausgehende Schicksale, rasant zu veranschaulichen versucht, in einer überwältigenden, Raum einnehmenden Mobilität.

Der Zuschauer wird mit einer rastlosen Bühnenfrequenz konfrontiert, die in der Leere ihre Tiefe findet: Leere heißt da, dass ein Mann mit einer dahinsiechenden Frau ein Duett im langsamen Schritt tanzt, und das bis zu ihrem Tod; heißt, dass die Hyperaktiven sich plötzlich zu gekrümmten, leidenden Wesen entwickeln; heißt auf der musikalischen Ebene auch elegisches Cellospiel von Andréa Konstankiewiczova.

Kubilai Khan Investigations sind keine illustrativen Tanztheatraliker. Gegründet wurde das Ensemble 1996 von Frank Micheletti und Konsorten, die alle aus dem Umkreis des in Frankreich wirkenden ungarischen Choreografen Josef Nadj kamen. Schon das Erstlingswerk Wagon Zek erregte Aufsehen. Und das nicht nur in Frankreich, sondern auch in Wien, wo Kubilai Khan Investigations bereits 1997, im experimentellen Rahmen von ImPulsTanz als Newcomer vorgestellt wurden.


Bilderflut

Kubilai Khan Investigations haben sich mittlerweile vom bizarr-surrealen Tanztheater eines Josef Nadj emanzipiert. Sie gehen ihre eigenständigen Wege. Trotz der den Aufnahmeblick manchmal überlastenden Bilderflut, gelingt es mit dem gekonnten Mix aus Tanz und Artistik samt Crossover-Musik nicht nur zu gefallen, sondern essenzielle Anliegen explosiv herauszuschleudern. Jedenfalls eine Aufführung, die sich viel mehr Publikumsinteresse verdient hätte. Denn es ist schon ein seltsames Wiener Phänomen, dass Vorstellungen, die während des Sommerfestivals geradezu gestürmt werden, das Jahr über vorrangig nur die Insiderkreise anlocken. (DER STANDARD, Printausgabe vom 22./23.2.2003)