Wien/München - "Frühestens in acht Wochen" wird die gerichtliche Aufarbeitung des so genannte Frächterskandals in Deutschland beginnen, erklärt Peter Henkel von der Staatsanwaltschaft München II. Die Anklage gegen den niederösterreichischen Spediteur Karl Kralowetz wurde auf knapp 4000 Fälle ausgeweitet. Der Frächter bestreitet die Vorwürfe, Lenker aus Nicht-EU-Staaten illegal nach Deutschland geschleust zu haben.

"Der Strafrahmen liegt zwischen einem und zehn Jahren Haft", erläutert Oberstaatsanwalt Henkel. "Insgesamt sind rund 800 Lenker betroffen." In den Jahren 2000 und 2001 soll Kralowetz diese ohne ausreichende Genehmigungen nach und durch Deutschland geschickt haben, ist die Anklagebehörde überzeugt.

Neue Anklageschrift

Markus Figgen, der Kölner Anwalt von Kralowetz, bestätigt, die von 146 auf 3953 Fälle angewachsene neue Anklageschrift erhalten zu haben: "Derzeit arbeiten wir eine Stellungnahme dazu aus, können daher keine konkreten Angaben zu den Vorwürfen machen." Grundsätzlich handle es sich aber um eine "sehr, sehr komplexe Rechtslage, und mein Mandant geht davon aus, dass seine Sicht der Gesetzesauslegung korrekt ist", meint Figgen weiter.


Neues EU-Dokument

Über die Frage, wie beispielsweise ein französischer Polizist überprüfen kann, ob ein rumänischer Lenker in einem österreichischen Lkw korrekt angemeldet ist, hat sich auch die EU den Kopf zerbrochen. Herausgekommen ist eine Verordnung über eine Fahrerbescheinigung, die mit 19. März umgesetzt werden muss.

Frächter müssen bei der Landesregierung dieses Dokument beantragen und dabei Arbeitsbewilligung und Versicherungsanmeldung für Lenker aus Drittstaaten vorlegen, schildert Reinhard Rentmeister aus dem Verkehrsministerium das Prozedere. "Damit können dann die rund 13.000 Betroffenen in Österreich im gesamten EU-Raum fahren."


System mit Lücken

Ein Beamter aus dem Wirtschaftsministerium muss allerdings eingestehen, dass dieses System Lücken hat. Denn laut Verordnung ist dieses Dokument bis zu fünf Jahre gültig. Ein außerhalb der Legalität agierender Spediteur könnte daher einen Lenker bei der Sozialversicherung anmelden, dieser erhält dann beim Land die Fahrerbescheinigung. Kurz darauf wird er dann bei der Versicherung wieder abgemeldet - die Bescheinigung behält er aber.

Grundsätzlich sieht die Verordnung vor, das jeder EU-Staat selbst festlegen kann, wie oft diese Bescheinigung erneuert werden muss. Die Aktualisierung ist aber mindestens alle fünf Jahre durchzuführen. "Aufgrund der derzeitigen politischen Situation war es noch nicht möglich, diesen Zeitrahmen zu verkürzen", sagt der Mitarbeiter aus dem Wirtschaftsministerium. "Ich denke, wir werden uns aber für einen Mittelweg stark machen, etwa eine jährliche Aktualisierung, um etwaige Missbrauchsfälle zu verhindern." (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe 22/23.2.2003)