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Bei einem Abendessen in kleiner Runde lieferte uns unlängst der Nobelpreisträger Myron Scholes wohl die beste Erklärung für die momentane Krise: Globale "Schocks" - wie 9/11 oder Enron - haben die (wahrgenommene) wirtschaftliche und politische Unsicherheit um ein Vielfaches erhöht. Paralysiert entziehen die Investoren dem Markt so lange Liquidität, bis sie ein Verständnis der neuen "Spielbedingungen" haben, um dann ihre "Chips" neu zu setzen. Flexibilität sei dabei wichtig, Diversifikation dagegen wenig wirksam.

Wer sich als Erster diesem neuen Szenario stellt und konsequent agiert, gewinnt. Unternehmer mit Analysefähigkeit, Intuition und Risikobereitschaft sind daher die "Zündkerzen" für den neuen Aufschwung. Das (neue) Szenario ist düster: Gleich sechs Faktoren begründen die Gefahr einer weltweiten Deflation.

  • Erstens sind die Aktienmärkte immer noch überbewertet. Die Aktien des S&P 400 beispielsweise werden immer noch im Schnitt 25 Prozent über ihrem Fundamentalwert gehandelt. Und jeder Phase einer relativen Überbewertung folgte bis jetzt eine Phase der Unterbewertung in ähnlicher Größenordnung.

  • Zweitens: Fast alle wichtigen Volkswirtschaften sind überschuldet. Die US-Gesamtverbindlichkeiten betrugen 300 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - gegenüber "nur" 260 Prozent zum Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise.

  • Drittens: Die verunsicherten Verbraucher haben leere Taschen und konsumieren weniger.

  • Viertens: Die Unternehmen halten sich bei Investitionen zurück. Eine Auslastung wie in den USA von mageren 75 Prozent ist kein echter Investitionsanreiz. Preiskämpfe sind die Folge.

  • Fünftens: Staatliche Eingriffe haben bisher nirgends gefruchtet, und - sechstens - ist derzeit kein Land in Sicht, das als Konjunkturlokomotive fungieren könnte.

Die gute Nachricht: Wir haben noch sechs bis neun Monate Zeit, um uns vorzubereiten - das ist der typische Zeitunterschied, mit dem sich US-Krisen auf Österreich übertragen. Noch gibt es also enorme Chancen für das vorbereitete Unternehmen. Dell, Unilever, H&M, Ikea, Aldi, Henkel, Tchibo, Newscorp, ISI, Magna, Wienerberger und einige mehr zeigen uns, wie es geht: Diese Unternehmen haben ihre Hausaufgaben gemacht, ihre Portfolios aufgeräumt, ihre Marktstellung durch kontinuierliche Innovation gestärkt, die Kapitalproduktivität erhöht, ihre Organisation flexibilisiert und sich in den Boomjahren vor überteuerten Zukäufen gehütet. Michael Dell bringt es bei der Ankündigung eines Ergebniszuwachses von 35 Prozent im laufenden Quartal auf den Punkt: "Ein schlechtes Umfeld ist eine schlechte Ausrede für schlechte Ergebnisse, aber ein guter Ansporn für weit reichende Veränderungen." Dell punktet mit den flexibelsten Strukturen und geringsten Fixkosten in der Branche, ist aus einem 16-Milliarden-Dollar-Zuliefervertrag mit IBM ausgestiegen und hat konsequent den Direktvertrieb ausgebaut.

Kurz: Dell hat gezeigt, wie man Krise richtig buchstabiert - Kosten umsichtig senken, das Portfolio radikal aufräumen, innovative Modelle einführen, Strukturen flexibilisieren und Entscheidungen schnell treffen. In diesem Sinne: Sei willkommen, Krise! (DER STANDARD, Printausgabe 22.2.2003)

Nachlese

--> Gegen die Endzeit-Stimmung