Wien - Die Kultur der "Think Tanks" zur unabhängigen Politikberatung auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen ist in Österreich ein noch vergleichsweise zartes Pflänzchen. Doch der Stellenwert der Denkfabriken könnte hierzulande - vor allem im Schlepptau einer steigenden Bedeutung der Bürgergesellschaft - zunehmen, meinte Georg Winckler anlässlich eines Arbeitskreises zum Thema "Think Tanks" bei den Alpbacher Technologiegesprächen am Freitag. Für den Rektor der Universität Wien könnten künftig auch die Universitäten "die Rolle als Think Tanks stärker einnehmen" - und damit auch zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen.

Die neuen Möglichkeiten eröffnen sich für Winckler in der Autonomie der Hochschulen und ihrer damit gewonnenen Position - "weniger Staat, mehr Teil der Zivilgesellschaft". "Allerdings werden hier eher einzelne Wissenschafterteams und Wissenschafter selbst in Erscheinung treten", so der Leiter des Arbeitskreises "Think Tanks in Österreich". Die Universitäten würden eher als Qualitätssicherungsstelle eine Rolle spielen müssen.

Definitionsschwierigkeiten

Das Verständnis von "Think Tanks" ist gemeinhin sehr breit. "Einen Elefanten kann man oft nur schwer definieren. Wenn man ihn aber sieht, weiß man, dass es einer ist", so Winckler über die Definitionsschwierigkeiten. Quasi als die großen Elefanten unter den Denkfabriken im wissenschaftlichen Bereich nannte er die bereits 1948 gegründete RAND Corporation mit rund 1.600 Mitarbeitern, das aus der Stanford University heraus entstandene, aber mittlerweile eigenständige Stanford Research Institute (SRI International) mit 1.500 Beschäftigten sowie das Battelle-Institut mit etwa 20.000 MitarbeiterInnen und einem Schwerpunkt in der Energiepolitik - allesamt US-Gründungen.

Charakteristik

Think Tanks charakterisieren für Winckler im Wesentlichen zwei Punkte: Die Denkfabriken sind als "Non-Profit-" und damit gemeinnützige Organisationen aufgestellt und sie betreiben primär Auftragsforschung. Zudem müsse es ihnen gelingen, "mit den Forschungsergebnissen innovativ zu sein".

Die große Tradition und Bedeutung der Denkfabriken in den USA bringt der Rektor der Uni Wien mit der dort existierenden Bürgergesellschaft in Zusammenhang. "In den USA sind die Think Tanks Teil dieser Civil Society" und damit zwischen Staat, politischen Parteien und Familie angesiedelt, verwies der Wirtschaftswissenschafter auf die staatliche Unabhängigkeit der Einrichtungen. In dieser Position hätten etwa auch Think Tanks wie die Rand Corporation Interesse daran, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Think Tanks in Österreich

"Verschiedene, wenige, eher kleine" Think Tanks ortet Winckler auch in Österreich. Im wirtschaftspolitischen Zusammenhang gebe es hierzulande das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), das Institut für Höhere Studien (IHS) und das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche.

Als Ursache für die weniger ausgebildete Kultur und geringere Größe der heimischen Denkfabriken sieht Winckler die Position des Staates: Dieser sei "zu mächtig gewesen, so dass eine Civil Society nicht entstanden ist" - damit seien auch nicht die Institutionen der Bürgergesellschaft entstanden. Die langjährige Dominanz der zwei großen Parteien in Österreich habe die öffentliche Meinungsbildung beschränkt. Vom Trend zu mehr politischen Parteien erwartet sich Winckler allerdings auch entsprechende Impulse zur Förderung der öffentlichen Meinungsbildung und damit auch der Think Tanks.

MitarbeiterInnen ermutigen

Wollen die Unis künftig auch eine stärkere Rolle als Think Tanks einnehmen, ergibt sich für Winckler die Aufgabe, dass man auch innerhalb der Universitäten die MitarbeiterInnen "zunehmend ermutigen muss, sich in diesem Bereich zu engagieren". Mit der Rolle als "Think Tank" würden auch die Unis selbst gestärkt. Von Ausgliederungen in Form von Tochtergesellschaften als Denkfabriken, wie etwa im Fall des Stanford Research Institute, sei man aber noch "weit entfernt".

"Ich erwarte mir, dass die Rolle der Think Tanks zur politischen und öffentlichen Meinungsbildung wächst", so Winckler. Je mehr sich Österreich auch zu einer Bürgergesellschaft verwandle, könne auch die Bedeutung der Denkfabriken wachsen. Dann müsse man sich auch Fragen der Qualitätskontrollen widmen. Das Auftragsvolumen für Denkfabriken wird nach Ansicht Wincklers tendenziell steigen, so dass auch mehr derlei Einrichtungen entstehen und ihre Bedeutung auch für die Unis wachsen wird. (APA)