Bild nicht mehr verfügbar.

Auf diesen Mann wartet Arbeit: Karel Brückner

Foto: APA/Pfarrhofer

Nizza/Wien - Teamchef Karel Brückner wird sich in den nächsten Tagen daheim in Olmütz einbunkern, von der Außenwelt abschotten. Schaut er eine mit Fußball angefüllte DVD, ist er sogar für Familienmitglieder unansprechbar. Wobei Brückner auch sonst nicht unbedingt zur Spezies der Gesellschaftstiger zählt. Am Mittwochabend hat er in Nizza sehr öffentlich debütiert, das 2:2 gegen Weltmeister Italien hat ihn insofern zufriedengestellt, "als das Ergebnis positiv war. Das ist wichtig für die Stimmung." In diesen eineinhalb Stunden sei er lediglich Coach der österreichischen Nationalmannschaft gewesen. "Nun beginnt die eigentliche Arbeit, die Analyse, das Aufarbeiten. Szenen werden zerlegt." Brückner setzt dabei nicht unbedingt auf High-Tech. "In Tschechien hatte ich ein Programm, das hat 3000 Kronen gekostet. Und es hat gereicht."

Wie die Welt, oder zumindest Teile davon, den Einstand gesehen haben, war am Tag danach zu lesen. Die italienische Corriere della Sera schrieb: "Österreich konnte das Beste aus seinem bescheidenen Repertoire holen. Taktische Ordnung und eine allgemeine gute körperliche Verfassung." Mlada fronta Dnes, eine tschechische Zeitung, befasste sich auch mit gesellschaftspolitischen Auswirkungen: "Die Tschechen müssen für die Österreicher nicht mehr ein Volk von Lakaien und anschmiegsamen Dienerinnen, sondern können dank Brückner auch ein Volk von Fußballtrainern sein."

Dass man sich die zwei Gegentore selbst gemacht hat, war maximal halblustig. Trotzdem wurde das Wort Pech nicht strapaziert. Denn das 2:2 war schlussendlich ein Glück, in vielen Szenen wurde der Klasseunterschied offensichtlich. Aber das musste so sein. Brückner hat auf kraftraubendes Pressing verzichtet (nicht zuletzt aus Respekt vor dem Gegner), die Abwehr ist tiefer als bei der Euro gestanden. In Fluss ist die Mannschaft selten gekommen. Die Effizienz war dafür toll, die Chancenauswertung vor dem generischen und dem eigenen Tor (Witz!) lag fast bei 100 Prozent.

Starmania

Für die Spieler war Nizza eine Art Vorsprechen oder Vorsingen beim neuen Chef, ein "Starmania" des Fußballs. Wigan-Legionär Paul Scharner bezeichnete seine Leistung im zentralen defensiven Mittelfeld als "diszipliniert". Und er zeigte Reue: "Natürlich können die Kollegen Fußballspielen, im Team verlernt man nichts.". Beim nächsten Zusammensein wird es zu einer Aussprache kommen.

Marc Janko erlebte "eine Achterbahn der Gefühle". Erst ignoriert, deshalb traurig, dann nachnominiert, deshalb froh. Dass er gegen Italien von Anfang an gestürmt hat, "war nur vor dem ersten Training eine Überraschung". Janko erzielte sein erstes Länderspieltor. "Ich habe das Vertrauen zurückgegeben." Brückner schätzt generell große Mittelstürmer. Schuld daran ist Jan Koller.der im tschechischen Team eine Bank war. Koller misst 2,02 Meter, Stefan Maierhofer ist genauso hoch. Janko hat 1,96 Meter anzubieten. "Vielleicht kommt mir meine Größe zugute. Aber man darf sich nicht auf seinen Zentimetern ausruhen." Gut vorgesprochen hat Jürgen Säumel, haben Emanuel Pogatetz, Martin Stranzl und Alexander Manninger.

Kapitän Andreas Ivanschitz hat dafür gestottert, als Regisseur vermochte er kaum zu überzeugen. Brückner sagte dazu nichts: "Ich beurteile meine Spieler nicht über Zeitungen." Ob Konditionstrainer Roger Spry im Betreuerstab bleibt, ließ der Teamchef offen. "Seine Methoden sind ungewöhnlich."

Generell wurde betont, dass die Zeit viel zu kurz gewesen sei. Ivanschitz: "Es war nur ein erstes Abtasten." Zeit bekommt Brückner am 1. September, da trifft sich das Team in der Sportschule Lindabrunn, um sich auf den Start der WM-Qualifikation am 6. September in Wien gegen Frankreich und die Fortsetzung am 10. September in Litauen vorzubereiten. Der Kader wird am 28. August bekanntgegeben. Brückner: "Janko nominiere ich schon einen Tag früher, damit das Land beruhigt ist."

Karel Brückner freute das Ergebnis bei seinem Amtsantritt. Fehler, vor allem beim Versuch, den Ball zu erobern, sind dem 68-Jährigen natürlich nicht entgangen. "Auf uns wartet noch sehr viel Arbeit." (Christian Hackl; DER STANDARD Printausgabe 22. August 2008)