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Auch in Wien hat Rottenneigbour schon einige Fans gefunden. Das anonyme Anschwärzen erfreut  sich weltweit großer Beliebtheit.

Foto: Archiv

In einer Aussendung der ARGE Daten üben die österreichischen Datenschützer heftige Kritik an der wiederkehrenden "Blockwartmentalität" im Deckmantel neuer Technologien. Firmen und Online-Angebote wie Google, Rottenneigbour und Herold würden die Privatssphäre der BürgerInnen verletzen, so die ARGE Daten.

Fragwürdig

In der Aussendung schreibt die ARGE Daten: Wer auf der Internetseite herold.at nach der Rufnummer eines Teilnehmers sucht, kann zunächst die zugehörige Adresse auf einem elektronischen Stadtplan sichten, wogegen kein grundsätzlicher Einwand besteht. Sehr wohl fragwürdig ist das weitere Zusatzservice: Unter Zuhilfenahme des links "Luftbild" kann das Zuhause auch in Fotoqualität besichtigt werden. Dabei kann auf verschiedene Entfernungen Bezug genommen werden. Zahlreiche Anrufer haben sich in den vergangenen Monaten bei der ARGE Daten über dieses Angebot von Herold überaus verärgert gezeigt und einen unzulässigen Eingriff in ihre Privatsphäre beklagt." 

Internationaler Trend

Dieser internationale Trend der Datenverknüpfung ist den DatenschützerInnen ein Dorn im Auge: "Immer mehr Internetdienste versuchen durch Luftaufnahmen, Satellitenfotos und Navigationshilfen ihre kargen eigenen Inhalte aufzufetten und interessanter zu machen. Interessanter werden diese Seiten, aber meist nur für Spanner und Voyeure. Legendär ist die Kritik an Googles Earth & Streetview, bei denen es schon mal vorkam, dass Menschen gut sichtbar in höchst privaten Situationen veröffentlicht wurden oder auch geheime Gebäudeanlagen ihren Weg ins Internet fanden", so die ARGE Daten.

Ein Schritt weiter

Rottenneigbour, ein US-Dienst, der auch in Europa stark genutzt wird, gehe noch einen Schritt weiter, so die DatenschützerInnen. Zu den Häuseraufnahmen können auch Kommentare üebr die "lieben" Nachbarn abgegeben werden. Offiziell sollen die positiven und negativen Kommentare dazu dienen, sich ein Bild über die zukünftige Wohngegend machen zu können. "Vorrangig werden Beschimpfungen, unqualifizierte Behauptungen und Unterstellungen in feinster Blockwartmanier veröffentlicht, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit werden im Schutz der Anonymität ausgelebt".

Liegt überhaupt eine Datenschutzverletzung vor?

"Hauptargument der Luftbildpublizisten ist, solange nicht zu erkennbaren Personen Name und Adresse angegeben sind, handle es sich nicht um persönliche Daten. Eine Verletzung von Datenschutz und Privatsphäre sei nicht möglich. Und überhaupt seien Luftbilder öffentliche Informationen, genauso wie eine Straßenkarte oder die Katasterpläne der Gemeinden. Es sei ja auch möglich von der Straße in ein Grundstück oder in ein Wohnzimmer hineinzublicken", so die Aussendung. Die sei jedoch eine "offensichtliche Fehleinschätzung, die sich auch nach 13 Jahren EU-Datenschutzrichtlinie hartnäckig hält. Sowohl das DSG, als auch die Datenschutzrichtlinie verwenden zur Beschreibung persönlicher Daten den Begriff der "bestimmbaren" Person. Informationen sind immer dann personenbezogen, sobald sie einer Person zuzuordnen sind, auch wenn dafür Zusatzerhebungen erforderlich sind. Das Foto eines Unbekannten ist genauso eine personenbezogene Information, wie die IP-Adresse beim Webseitenabruf. In beiden Fällen gibt es mehrere Stellen und Personen, die das Foto oder die IP-Adresse identifizieren und einer Person zuordnen können".

Verarbeitung personenbezogener Daten

Aus Sicht der ARGE Daten stellt die Verknüpfung der Fotoaufnahmen von Wohnhäusern mit namentlich bezeichneten Personen "völlig unstrittig eine Verarbeitung personenbezogener Daten dar". "Selbst wenn keine Person erkennbar ist, sobald Gebäude und Objekte erkennbar sind, die einer Person zugeordnet werden können und diese Information nicht tatsächlich öffentlich ist, liegt ein Eingriff in die Privatsphäre vor", so die DatenschützerInnen.

Rechtslage

Tatsächlich öffentlich wären in Österreich derzeit nur folgende Informationen: 

Zu einem Grundstück Name und Adresse der Eigentümer sowie im Grundbuch eingetragene Rechte, straßenseitige Hausansichten, sowie Bilder zu einem Grundstück, die der Eigentümer und alle auf dem Bild sichtbaren Personen ausdrücklich veröffentlicht haben.

Problematisch

"Warum die Verknüpfung von Telefondaten und Luftaufnahmen ein gewaltiges Datenschutzproblem darstellt, ergibt sich aus dem Zweck des Telefonbuchs selbst", so die Aussendung. "Das Telefonbuch soll die elektronische Kommunikation zwischen Telefoninhabern erleichtern, nicht jedoch einen Reisebehelf darstellen. Wen geht es eigentlich etwas an, wie das Haus einer - womöglich wildfremden - Person von oben aussieht? Eine systematische und strukturierte Datenverarbeitung, die im Internet für jedermann zugänglich ist, weckt zweifellos die voyeuristische Seite von Nutzern: Schauen wir doch mal nach, wie der Arbeitskollege, der flüchtige Bekannte, die Exfreundin, eigentlich wohnt! Jö schau, was der für einen großen Garten hat- und sogar ein Pool! Bei deeeeem Einkommen? Neugier, Voyeurismus und die Möglichkeit der Denunziation mögen zwar viele Menschen "anturnen", stellen aber keine legitimen Datenverarbeitungszwecke dar. Dabei ist zu beachten, dass der Schutz der Privatsphäre in solchen Fällen nicht unbedingt nur ein seltsamer "Spleen" ist, sondern auch einem Sicherheitsbedürfnis dient. Wer über ein ansehnliches Eigenheim verfügt, wird auch aus Schutz vor Kriminalität kein Interesse haben, dass dieses von außen ausgespäht wird".

Schlusslicht Österreich

"Österreich auch in diesem Bereich zivilisatorisches Schlusslicht", meint die ARGE Daten. "Während in anderen Ländern längst über eine Eindämmung der Luftbildseuche diskutiert wird, in Deutschland soll bald eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, ticken Österreichs Uhren anders. Besonders Behörden machen sich als eifrige Verletzer der Privatsphäre stark". So hatte im Mai die oberösterreichische Landesregierung Google besonders detailreiche Luftbilder zur Internet-Veröffentlichung übergeben. "Das mit Steuergeldern finanzierte und mit der sexistischen Bezeichnung versehene digitale oberösterreichische Raum-Informations-System "DORIS" soll nun endlich "Google scharf machen". Es wundert nicht, dass in dieser Sprachwelt "virile Männer", die "ihre Familien fest im Griff haben" (Polizeiermittler zum Amstettner Missbrauchsfall) ganz besonders hohes Ansehen genießen".

Tatenlos

"Grundsätzlich gilt, dass sich Datenverarbeiter um die zulässige Veröffentlichung von Luftbildern kümmern müssen. Sie können nicht zuerst einmal alles veröffentlichen und dann warten, wer sich dagegen wehrt. Leider ist die Realität anders und die beamteten Aufsichtsstellen, wie die Datenschutzkommission, schauen tatenlos zu oder helfen beim Bruch der Privatsphäre mit. Daher gilt: Wer kein Interesse hat, mit Bild seines Wohnhauses im Internet für alle Welt auffindbar zu sein, der kann gegen die Bildverwendung Widerspruch erheben und Löschung und Unterlassung verlangen", so die ARGE Daten in der Aussendung.(red)