Er ist überzeugt, nur ihr Leben ähnle einer Soap-Opera, sie weiß es besser: Steve Buscemi und Sienna Miller in "Interview"

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Wien - Pierre Peders (Steve Buscemi) ist sauer. Anstatt in einem Flugzeug nach Washington zu sitzen, wo sich möglicherweise der politische Skandal des Jahres anbahnt, soll der erfahrene Journalist in New York einen Interviewtermin wahrnehmen. Seine Gesprächspartnerin ist Katya (Sienna Miller), ein erfolgreicher TV-Soap-Star. Und die lässt ihn gleich einmal eine Stunde warten.

Allerdings muss Katya nach ihrem Eintreffen umgekehrt feststellen, dass der Vertreter der Presse es nicht für nötig befunden hat, sich auf das Gespräch mit ihr ordentlich vorzubereiten. Das erste Match endet unentschieden. Das Spiel wird unerwartet gleich darauf in Katyas Wohnung fortgesetzt.

Auf die erste Überraschung folgen weitere: Pierre und Katya haben in dem Katz-und-Maus-Spiel abwechselnd die Oberhand. Die Erzählung wechselt mehrfach die Richtung. Dazu gehört das Spiel mit Klischees, der Bruch von Erwartungen: Das Starlet ist intelligent, hinter der perfekten Fassade gibt es ein komplexes Innenleben. Das gut gefüllte Bankkonto schützt nicht vor existenziellen Problemen, der hartgesottene Aufdecker hat privat versagt. Nicht jede zu Herzen gehende Enthüllung entspricht der Wahrheit, die Fernsehtussi ist eine überzeugende Schauspielerin und so fort.

Interview, den Hauptdarsteller Steve Buscemi auch inszeniert hat, ist ein Kammerspiel. Von wenigen Szenen abgesehen, ist ausschließlich Katyas Loft Schauplatz des Films. Der Zeitraum ist auf wenige Stunden begrenzt und die beiden Hauptfiguren meist die einzigen Akteure. Dass Interview dabei trotzdem eine beachtliche Dynamik behält, ist eine angenehme Überraschung. Genauso wie die Tatsache, dass einander hier darstellerisch zwei ebenbürtige Partner gegenüberstehen.

Von den vielen Wendungen der Erzählung abgesehen, spielen dem Film zwei Aspekte von außen zu. Zum einen basiert er auf einem anderen Film: Der niederländische Regisseur Theo van Gogh, der 2004 ermordet wurde, verfilmte die Vorlage von Hans Teeuwen und Theodor Holman bereits 2003 - eher Guerilla-artig, in der Wohnung von Hauptdarstellerin Katja Schuurman gedreht.

Zum anderen spiegelt sich in der aktuellen Katya auch das Medienbild ihrer Darstellerin: Selbst Anfang des neuen Jahrtausends zunächst in TV-Serien engagiert, wurde die britische Schauspielerin vor allem in Boulevardmedien und Hochglanzillustrierten als It-Girl und Lebensgefährtin des Schauspielers Jude Law prominent gefeatured. Das Interesse dieser Medien an Millers Privatleben hat aktuell nicht eben abgenommen. Aber inzwischen werden anderswo auch ihre darstellerischen Qualitäten wahrgenommen. Katya darf also hoffen. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Printausgabe, 21.8.2008)