Fritz Dinkhauser steht mit seiner Liste für ein gerechtes, soziales, bürgerliches Österreich - das sei eigentlich das Programm der ÖVP, aber diese habe das vergessen.

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Der Listenführer des Bürgerforums, der Liste "Fritz", hätte gerne, dass die Politik funktioniert wie auf dem Dorf. Da ist man per du. Diesen Umgangston pflegt der Tiroler, der nach Wien will, auch mit Journalisten. Fritz (Dinkhauser) erzählt also Conrad (Seidl), was ihm in der Politik wichtig wäre und ihm in der ÖVP fehlt.

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Standard: Du stopfst gerade gemütlich deine Pfeife. Ein öffentlich Pfeife rauchender Politiker - das hat es schon lange nicht mehr gegeben. Ist das noch zeitgemäß?

Dinkhauser: Ich rauch ja auch nicht immer - und ich hab jahrelang gar nicht geraucht, ich war ja bei zwei Olympiaden aktiv und hab Hammerwerfen, Skeleton und Bobfahren gemacht. Aber es war schon mein Vater ein Pfeifenraucher, und das war unheimlich gemütlich - ich hab a den Vater sehr mögen. Eines Tages hat mir dann meine Frau eine Pfeife geschenkt, und seither rauch ich. Weißt eh: Wennst Geburtstag hast, da schenken dir dann alle Freund eine Pfeife, da wissen s' gleich, was schenken sollen. Und da hast plötzlich a große Sammlung. Da lass ich mir einen Tabak aus Koblenz kommen - die machen so eine amerikanische Mischung, die ist nicht so scharf. Die schmeckt mir - und ich komm ein bisschen in Stimmung, es schafft ein Gefühl von Ausgleich. Ich glaub, du verstehst das.

Standard: Ich verstehe: Dir sind Stimmung, Ausgleich und Gefühl in der Politik wichtig. Was ist das für ein Gefühl, plötzlich österreichweit bekannt zu sein und als bundespolitisch wichtiger Faktor zu gelten?

Dinkhauser: Das weiß ich gar nicht, ob ich da wirklich schon ein Faktor bin. Aber was ich mir wünsch, ist auch nicht eine Frage der Personen, sondern des Programmes, des Inhaltes, der Idee eines gerechten, sozialen, bürgerlichen Österreich. Das ist das, was mir verlorengegangen ist in der Volkspartei, dass die die Wurzeln so völlig vergessen haben.

Standard: Die christlich-sozialen Wurzeln?

Dinkhauser: Ja, die Wurzeln, wie sie im Salzburger Programm der ÖVP damals in den Siebzigerjahrenfestgeschrieben waren: Dass die Kraft von unten auße geht, von den Gemeinden kommt, vom Föderalismus. Da waren auch die sozialpolitischen Grundsätze drinnen, die Fragen der Werte, der Würde, der Gerechtigkeit - die gibt es nicht mehr. Ich hab unlängst einen ÖVP-Abgeordneten auf das Salzburger Programm angesprochen, und er hat gesagt: "Weißt, zu den Salzburger Festspielen fahr ich nicht." Was soll man da noch sagen?

Standard: Du hast einmal vor zehn Jahren gesagt: "Politik ist keine Wissenschaft, sie ist eine Frage des Gefühls." Stimmt das heute noch?

Dinkhauser: Ja, das stimmt sicher. Was heute völlig verloren ist: Dass die Menschen aus dem Bauch heraus machen, was richtig ist. Trotz allem Intellekt, der notwendig ist, ist das Bauchgefühl wichtig. Das ist die Politik, die Menschen mögen. Das müsste auf den Universitäten wieder vermittelt werden: Wenn du keine Wurzeln hast, wird nix mehr draus, da ist der ganze Kopf umasonst.

Standard: Nun hat sich aber die Welt geändert:Wir leben in einer Welt, die von ökonomischen Zwängen bestimmt ist. In einer Welt, in der die Politik viele Entwicklungen nur mehr marginal beeinflussen kann. Da muss man doch rechnen, anstatt aufs Gefühl zu setzen?

Dinkhauser: In den Gemeinden, wo der Bürgermeister noch ein Gefühl hat, da funktioniert das. Rechnen muss er sowieso. Du musst überall Prioritäten setzen - und das, was für die Menschen wichtig ist, musst du tun. Natürlich musst du rechnen. Aber ich hab zum Beispiel in Tirol ein Zentrum für die Zukunft der Arbeit und der Gesellschaft eingerichtet. Dort hab ich die Kompetenzen-Bilanz ins Leben gerufen: Nicht nur das, was du im Studium erworben hast, sondern was du im Leben erworben hast, zählt als Kompetenz - warst Hauptmann bei der Feuerwehr? Hast du dir bei der Rettung Sozialkompetenz oder Organisationskompetenz erworben?

Ich glaube, dass die kleinen Einheiten die große Chance sind zu überleben. Die ganzen seelischen Probleme der Menschen, die Angst, die sie vor der Zukunft haben, die zunehmenden Depressionen, die kann man nur in kleinen Einheiten angehen. Das geht nicht ohne Geld, aber ich glaube, dass nicht das Geld das Wichtigste ist, sondern die Kreativität.
So entstehen die Welterfolge aus kleinen Einheiten - die Swatch, der Hula-Hula-Reifen, die Brillenfassungen, was weiß ich: Das ist alles eine Sache der Kreativität, des Designs. Wennst dem Tisch da plötzlich an Gamsbart aufsetzt, ist das ganz was anderes, und du kannst das ganz anders vermarkten. Das ist das Um und Auf.

Standard: Das mag schon sein. Von den kleinen Einheiten haben in den Siebziger- und Achtzigerjahren alle geträumt. Aber du kandidierst nicht für einen Gemeinderat, sondern für den Nationalrat. Kann man Kommunalpolitik überhaupt auf Bundespolitik übertragen?

Dinkhauser: Weißt eh: Ich war zwei Jahre im Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU. Mich hat das sehr interessiert. Und ich hab gesehen, dass die alle mit Wasser kochen, genau wie wir. Das lässt sich alles übertragen. Uns etwas zuzutrauen, das ist das Wichtige. Auf die kleinenStrukturen zu vertrauen. In jedem Bundesland gibt es so Betriebe, die aus kleinenStrukturen kommen und weltweit erfolgreich sind. Für die brauchen wir nicht mehr Wirtschaftspolitiker und Wirtschaftswissenschafter, da hamma schon genug, wir brauchen mehr Naturwissenschafter, Mathematiker, Techniker.

Wir haben verlernt, in der Kinderstube zu basteln. Wir zwei haben doch noch mit Matador gespielt, das muss was für die Hände sein, was zum Gestalten. Nur wer gestalten kann, kann verwalten. Ich hab da überhaupt keine Sorge: Es gibt ja kaum ein Land der Erde, das so begnadet ist wie wir.

Standard: Das könnte der junge Wolfgang Schüssel vor 25 oder 30 Jahren gesagt haben. Was hat euch auseinandergebracht?

Dinkhauser: Der Schüssel war ein schneidiger Bursch, wirklich schade drum! Kannst dich erinnern, als er für die Mitbestimmung im Betrieb war? An die Bücher, die er herausgegeben hat? Ich hab ihn mal besucht im Urlaub in St. Wolfgang, vor zehn Jahren oder so - da ist er dahergekommen mit kurzen Hosen und einem Sackerl vom Spar, mit einer Natürlichkeit, die mich fasziniert hat. Dann ist irgendwas vorgegangen in seinem Kopf.

Du kannst dich erinnern: Auf dem Parteitag in Linz 2003 hab ich dann eine Brandrede gehalten, da hab ich gsagt: "Bitte" , hab ich gsagt, "bitte, kimmts abe von de Bama, schauts amal auf die Leut da herunten, gewinnts das Herz dieser Leute! Wolfgang, das gibt's doch überhaupt nicht!" , hab ich gsagt, "Du bist ein musischer Mensch, du spielst Klavier, ich kapier das net, wo hast du dei soziale Haltung verloren?" Dabei war er unheimlich kreativ seinerzeit, als Generalsekretär des Wirtschaftsbundes.
Aber jetzt ist das eine Politik der Beliebigkeit - und drum ham s' die Leut verloren.

Standard: Wann hast du aufgehört, dich als ÖVPler zu fühlen?

Dinkhauser: Ich hab immer gsagt: Ich bin die ÖVP, weil ich die christlich-sozialen Ursprünge hab. Mir ist die ÖVP abhandengekommen. Das hast ja auch in Tirol gesehen: Von den ganzen Leuten, die da auf dem Plakat oben waren, die Liesl Zanon, die Anna Hosp - da ist doch nur mehr der Steixner übergeblieben. Die ÖVP hat ihr eigenes Programm verraten.

Standard: Müsste Politik mehr programmatisch ausgerichtet sein?

Dinkhauser: Schon, das ist was ganz Wesentliches, was du sagst. Man muss immer überprüfen können, ob das, was man macht, den "zehn Geboten" der Partei entspricht.

Standard: Und was haben sich die Wähler zu erwarten, wenn sie die Liste Fritz wählen? Da kommen dann ein paar Leute ins Parlament - und was werden die tun?

Dinkhauser: Gehen wir einmal davon aus, dass es offensichtlich einen Dritten braucht...

Standard: ...weil sich sonst zumindest keine kleine Koalition ausgeht?

Dinkhauser: Ja, da braucht's an Dritten - und da braucht's an guten Dritten. Einen mit einer großen Berufs- und Lebenserfahrung, mit einer großen Sozialerfahrung. Und diese Erfahrung kann ich in allen Bereichen anbieten. Und was ich wirklich anbieten kann, ist eine geradlinige Politik, eine verlässliche Politik. Auf mich kann man sich verlassen - i bin ka Wunderwuzzi net, aber auf mich kann man sich verlassen. Ich hab bewiesen, dass man auf mich setzen kann, was ich sag, versuch ich umzusetzen. Ich bin da sehr beharrlich. Und ich beharre auf einem neuen demokratiepolitischen Geist, es braucht einen Bürgerstaat, keinen Parteienstaat. (DER STANDARD Printausgabe, 21. August 2008)