Die Häufigkeit der Banküberfälle, Fahrraddiebstähle und Einbrüche nimmt laut Statistik des Innenministeriums ab - was einige Fachleute misstrauisch macht.

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Grafik: APA/DER STANDARD

Wien - Österreich wird immer sicherer, zumindest aus kriminalstatistischer Sicht. Doch das Minus von 5,3 Prozent bei den Anzeigen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen, das laut Innenministerium von Jänner bis Juli 2008 im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2007 ausgewiesen ist, sorgt im derzeitigen Vorwahlkampf weniger für Freude denn für Zweifel und Polit-Polemik.

Die ÖVP beschränke sich in Sachen Sicherheitspolitik auf "permanentes Schönreden", sagte etwa der stellvertretende SPÖ-Bundesparteivorsitzende Erich Haider. 2007 hätten etwa "die Einbruchsdiebstähle in Einfamilienhäuser extrem zugenommen". Dass deren Zahl in den ersten sieben Monaten des Jahres 2008 im Vergleich zu 2007 wieder um 18,6 Prozent abgenommen hat, erwähnte Haider nicht. Dafür vermeldete dies das ÖVP-geführte Innenministerium in seiner Aussendung zur aktuellen Statistik an prominenter Stelle.

Freilich weist nicht alles in der neuen Statistik nur auf eine Zunahme von Sicherheit hin. Die Zahl geklärter Fälle ist etwa von Jänner bis Juli 2008 im Vorjahresvergleich um 6,8 Prozent zurückgegangen - was wohl damit zusammenhängen dürfte, dass überhaupt weniger aufklärungsbedürftige strafbare Handlungen zur Anzeige gekommen sind.

Die von den absoluten Zahlen bereinigte bundesweite Aufklärungsquote hingegen hielt sich mit minus 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr in etwa die Waage. Mit ein Grund für Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) festzustellen, dass "die Kriminalität rückläufig ist und die Polizei tagtäglich großartige Arbeit leistet". Die Bemühungen der Exekutive dürften "nicht ständig schlechtgeredet werden", ergänzte die Ministerin.

Die Zahl der Delikte "explodiere" geradezu, widersprach hier am Dienstag Harald Vilimsky, Sicherheitssprecher der FPÖ. Gesunken sei nicht die Kriminalitätsrate, sondern vielmehr das Vertrauen der Kriminalitätsopfer, dass eine Anzeige bei der Polizei ihnen zu ihrem Recht verhelfen könne: Eine Interpretation der Statistik, die in gemäßigterem Stil auch von manchem Experten kommt.

Scham verhindert Anzeige

"Laut internationalen Studien gibt es viele Gründe, weshalb die Delikte-Dunkelziffer steigen kann", meint etwa Birgit Zertinigg, Leiterin des Kriminalitäts-Forschungsbereichs im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV), im Standard-Gespräch: "Scham" etwa, weil man Opfer eines Überfalls geworden ist oder das "Gefühl, dass ein erlittener Diebstahl "zu trivial" sei, um damit zur Polizei zu gehen. Auf alle Fälle sei es "nicht richtig, die Kriminalitätsstatistik zu rasch zu interpretieren" - zumal in Österreich "präzise Opfer- und Täterstudien fehlen".

Das meint auch der Wiener Kriminalsoziologe Arno Pilgram. Doch auf der Grundlage internationaler Erhebungen kommt er zu gegensätzlichen Schlüssen. Umfragen in Deutschland oder England hätten ergeben, dass Menschen, die durch kriminelle Handlungen betroffen waren, diese in den meisten Fällen auch zur Anzeige brächten. "Ich glaube nicht, dass das in Österreich ganz anders ist", sagt Pilgram.

Außerdem seien Experten für 2008 ursprünglich von "einem Plus in der Statistik" ausgegangen, da heuer ein direkteres, elektronisches Anzeigenerfassungssystem in Betrieb gegangen sei. Dass es anders gekommen ist, sei "ein zusätzlicher Hinweis, dass die Kriminalität bei uns wirklich sinkt". (Irene Brickner, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 20.8.2008)