Alle US-Präsidenten seit George Bush senior haben sich an die Annahme gehalten, dass es im russischen und internationalen Interesse sei, Moskau an Europa anzubinden. Ebenso, dass Russland internationalen Institutionen beitritt und eine Partnerschaft mit der Nato eingeht. Die Situation nach der Georgien-Krise stellt die gesamte Prämisse der europäischen und westlichen Beziehungen zu Russland infrage. Das wird der kommende US-Präsident ins Kalkül ziehen müssen." So analysierte der ehemalige US-Vizeaußenminister unter Bill Clinton und intime Russlandkenner Strobe Talbott unlängst den weltpolitischen Fall-out des Sommerkrieges im Kaukasus.

Auf dem Nato-Treffen hatten die Außenminister der Allianz genau diese Konsequenzen zu beraten. Wie soll man mit einem revanchistischen, revisionistischen und nach Sowjetmanier imperialistisch agierenden Russland umgehen? Nach Jahren der politischen Stagnation hat das Bündnis damit quasi auf einen Schlag seinen angestammten Sinn wiedererlangt. Allein, die Antworten auf die Frage können nicht im Stil des Kalten Krieges gegeben werden. Das Instrument Abschreckung ist - auf beiden Seiten - stumpf geworden.

Durchaus auch zum Nachteil für die Allianz, denn wer sich vor den Russen nicht zu Tode fürchtet, ist schwieriger auf eine gemeinsame Linie einzuschwören. Eine Art politische Abschreckung ist unter diesen Umständen schwer zu orchestrieren: siehe die erbärmlich uneinigen Reaktionen der Europäischen Union auf den Konflikt. Was die Nato jetzt aufbieten muss, sind vor allem politische Kapazitäten, um Moskaus Ambitionen einzudämmen. Die allerdings sind vor allem in Europa noch schwerer zu finden als Truppenteile und Transportflugzeuge. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 20.8.20089