Rewe versucht kleine Lieferanten für sich zu gewinnen. Was Äpfel mit Manner-Schnitten zu tun haben und warum Optik besticht, erzählte Alfred Propst, Einkaufschef der Kette.

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STANDARD: Wer im Supermarkt einkaufte, musste bisher annehmen, es gebe nicht mehr als zwei Sorten Äpfel und Paradeiser. Warum entdeckt der Handel auf einmal die Vielfalt?

Propst: Die Sortimente werden von Jahr zu Jahr größer. Fakt ist jedoch: Wir führen jene Produkte, nach denen es große Nachfrage gibt. Aufgrund des Trends zu gesunder Ernährung wird nun Obst und Gemüse mehr Platz eingeräumt.

STANDARD: Ist Sortenvielfalt die Weiterentwicklung von Bio, der Versuch
sich von Mitbewerbern abzuheben?

Propst: Kunden erwarten auch bei Obst und Gemüse neue Produkte. Hier steht aber keine Industrie dahinter. Die Innovationen kommen daher großteils vom Handel.

STANDARD: Viele Bauern setzen sich schon seit Jahren mit Raritäten auseinander. Viele lehnen aber Kooperationen mit Handelsriesen ab, und andere sind für die Ketten zu klein. Wie stellen Sie genug Menge auf?

Propst: Kein Bauer mit interessanten Produkten ist zu klein. Er kann über Sammelstellen oder Genossenschaften liefern. Hat er nur geringe Mengen, listen wir sie eben nur in einigen Filialen. Und viele Erzeuger wachsen ja mit uns mit.

STANDARD: Die Strukturen von Großkonzernen sind nicht auf kleine Liefermengen ausgerichtet...

Propst: Wer Interessantes bieten will, muss sich damit auseinandersetzen. Der Markt ist gesättigt, konventionelle Paradeiser hat jeder.

STANDARD: Alte Sorten sind sensibel, optisch oft nicht makellos. Akzeptieren Kunden aufgeplatzte Tomaten?

Propst: Der Kunde will im konventionellen Bereich nur Ware mit einer Top-Optik. Das Obst und Gemüse wurde immer schöner, seine Haltbarkeit länger. Der Geschmack blieb da und dort auf der Strecke. Aber es gibt dank Bio eine Trendwende: Der Konsument achtet wie-der mehr darauf, wie es schmeckt.

STANDARD: Bei Bio werden dennoch oft 30 Prozent der Ware aussortiert.

Propst: Die Bauern wissen, dass wir genaue Spezifikationen haben. In manchen Biobereichen wird mehr aussortiert als bei konventionellen. Aber das wird auch entlohnt.

STANDARD: Ihr Lieblingsprodukt?

Propst: Auf den Kinderapfel bin ich stolz. Kleine Äpfel wurden früher nur auf den Spotmärkten verkauft, heute sind sie eine Marke. Dafür müssen sie mindestens zwölf Prozent Zuckergehalt haben, 80 Prozent Farbanteil der Oberfläche und eine Fruchtfleischfestigkeit von sechs Kilo pro Quadratzentimeter. Der Kunde weiß, was ihn erwartet. Das ist, wie wenn er eine Packung Manner-Schnitten kauft. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.8.2008)