Wien - Manipulierte Datensätze zugunsten des Forschungserfolgs könnten für Jürgen Sandkühler, Leiter des Zentrums für Hirnforschung an der Medizinischen Universität Wien (MUW), womöglich mit Anlehnung an den Sport vermieden werden: "Es sollte eine Anti-Doping-Agentur in der Forschung geben", meinte der zum wissenschaftlichen Herausgeber-Team der Fachzeitschrift "Science" zählende Neurophysiologe.

Die in den Wissenschafts-Journalen publizierten Daten sollten durch Laborbesuche von Experten bei den Autoren stichprobenartig überprüft werden können. Das Thema "Integrität in Wissenschaft und Forschung" wird auch im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche (21. bis 23. August) diskutiert.

"Bitte schön, hier ist ihre Arbeit. Zeigen Sie bitte einmal die Originaldaten." Nach diesem Motto könnte sich Sandkühler, der neben Helga Nowotny (European Research Advisory Board) das einzige in Österreich forschende Mitglied der wissenschaftlichen "Science"-Herausgeber ist, durchaus die unregelmäßigen, zufällig ausgewählten und unangekündigten Besuche vorstellen.

Mehr Ordnung im Daten-Laden

Kann etwa ein in der Publikation präsentierter Mittelwert nicht von den Prüfern nachvollzogen werden oder offenbart sich eine Manipulation der Daten, droht der Rückzug der Arbeit. Soll die Überprüfung per se schon vor vorsätzlichem Betrug abschrecken, sieht Sandkühler noch eine weitere Folge: "Wir müssten einfach ein bisschen mehr Ordnung in unserem Daten-Laden halten."

Der gebürtige Deutsche verweist auf die ohnehin für Wissenschafter bestehende Dokumentationspflicht. "Wir müssen schon jetzt darauf gefasst sein, dass jemand kommt - aber es kommt niemand." Angesiedelt werden könnte eine Prüfstelle etwa auf staatlicher Ebene: "Wir haben doch auch staatliche Gelder, die zur Gewinnung der Daten hergeben werden. Warum sollen wir nicht einen kleinen Teil dieser Gelder verwenden, um die Qualität der Daten zu überprüfen?", schlägt Sandkühler vor. Immerhin müssten doch die Drittmittelgeber "ein Interesse daran haben, dass die von ihnen geförderten Projekte absolut lupenrein und ohne jeden Makel sind".

Für Sandkühler wäre es aber auch vorstellbar, dass Zeitschriften wie "Nature" und "Science" aus eigenem Interesse eine solche "Anti-Doping-Agentur" einrichten. Aber auch mehrere Staaten "könnten sagen: Alle die auf unserem Territorium Forschung betreiben, tragen zum Renommee dieses Forschungsstandortes bei - dazu gehört, dass aus unserer Forschungsregion keine einzige manipulierte Publikation kommt."

Daten abrufen auf Knopfdruck

Die Einrichtung einer solchen Institution müsste für den Neurophysiologen, der selbst bereits dreimal in "Science" publizierte - zuletzt 2006 über Schmerzverstärker im Rückenmark - "pro Futura" erfolgen. Man sollte einen Zeitpunkt festlegen, z. B. das Jahr 2010, ab dem jeder Forscher verpflichtet ist, "seine Daten so zu archivieren und aufzubereiten, dass man sie quasi auf Knopfdruck abrufen kann."

Einen Überwachsungsstaat in der Forschung würde Sandkühler nicht befürchten: "Wir haben ohnehin schon Kontrollen. Wir kriegen keinen Euro ohne nachzuweisen, was wir damit machen." Der Wissenschafter sei ohnehin schon der "gläserner Mensch". Jeder könne sich etwa per Knopfdruck etwa über das Portal "PubMed" informieren, "was der Kollege in letzter Zeit so gemacht hat". Zudem arbeite man mit Steuergeldern.

Auch wenn mit dem Wunsch, in den renommierten Fachzeitschriften wie "Science" und "Nature" zu publizieren, laut Jürgen Sandkühler scheinbar auch die Notwendigkeit größer ist, "aalglatte Daten zu liefern": Fälschungsskandale seien "kein Phänomen, das nur die Top-Zeitschriften betrifft". Die Ursache für die gehäuften Betrugsentdeckungen in der jüngsten Vergangenheit "mag in erhöhter Aufmerksamkeit liegen, mag aber auch daran liegen, dass der Druck auf die Wissenschafter - zumindest in einigen Ländern - sehr gewachsen ist". (APA/red)