Dass sich die Noch-Regierung jetzt im Wahlkampf zumindest prinzipiell auf ein verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr einigen konnte, entbehrt nicht einer gewissen Logik: Schließlich erblicken immer mehr Österreicherinnen und Österreicher in der alpenrepublikanischen Innenpolitik ganz allgemein einen riesigen Kindergarten. Mit dem Unterschied, dass der zwar meistens umsonst, aber ganz bestimmt nicht gratis in Erscheinung tritt.

Im Wahlkampf ist also nun so etwas wie Bewegung in die beiden Großparteien gekommen, und zwar so viel, dass in einigen Kommentaren und auch sicher nur bedingt spaßeshalber bereits die Verlängerung der Vorwahlzeit bis auf unbestimmt gefordert wurde. Mit Blick auf das Fernseh-Duell Strache gegen Haider am Freitag möchten wir hier selbstredend nicht so weit gehen.

Eines ist aber gut: Es wird wieder mehr diskutiert, weniger kategorisch blockiert. Mehr noch: Die beiden Kanzlerkandidaten Werner Faymann und Wilhelm Molterer rittern geradezu darum, wer die Ideen bloß abkupfert, und von wem sie tatsächlich ausgehen. Dass sie nicht ausgehen, dafür scheint also gesorgt.

Kreativität ist auch gefragt, will die Regierung die Teuerung in den Griff kriegen: Der scheidende Nationalbank-Gouverneur Klaus Liebscher mahnte bereits die Sozialpartner, "Zurückhaltung" zu üben - sowohl bei den Lohnforderungen als auch bei der Preisgestaltung. Eine Lohn-Preis-Spirale käme in Gang, so Liebscher. Auch die Industrie sieht ihre Felle schon davonschwimmen und warnt vor Nachteilen im internationalen Standortwettbewerb.

Dabei wären auch die Unternehmen gefordert, Zeichen zu setzen: Immer noch geht etwa bei den ATX-Unternehmen die Lohnschere zwischen Mitarbeitern und Management weiter auf, im Vorjahr kassierten Vorstände in den ATX-Betrieben durchschnittlich 48-mal soviel wie ein "normaler" Beschäftigter. Schon das 30-Fache kann getrost als unmoralisch betrachtet werden. Und weil wir schon dabei sind: Auch der Umstand, dass die Konzerne im Inland Mitarbeiter abbauen, während weiter Rekordgewinne eingefahren werden, stößt irgendwann an die Grenzen jeglichen Geschmacks.

Dieses ungute Gefühl bringt Herbert Stepic im aktuellen "profil" in entwaffnender Ehrlichkeit auf den Punkt. Auf die Frage, was es dem Österreicher bringe, wenn seine Raiffeisen International so wie viele andere österreichische Unternehmen schöne Gewinne in Osteuropa mache, sagt er lapidar: "Eine sehr berechtigte Frage."

Keine Frage ist, dass die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale bereits in Gang gekommen ist. Und auch wenn es grundsätzlich egal ist, von wem sie losgetreten wurde: die Konsumenten waren's jedenfalls nicht. Der Ausgleich der zunehmenden Teuerung über die Löhne und Gehälter ist deshalb als gerechtfertigt zu betrachten, die Herbstlohnrunde muss den Unternehmen einiges abverlangen - auch, um endlich Druck auf die Politik zu machen, die Lohnnebenkosten sinnvoll zu senken. Diese sind gerade für Kleinunternehmen der größte Hemmschuh, wenn es um die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte geht.

Die Gelegenheit ist also günstig, für die Bevölkerung vielleicht auch bald im landläufig so beliebten monetären Sinne. Ob von dem so genannten Anti-Teuerungs-Paket tatsächlich noch vor der Wahl der eine oder andere Vorschlag umgesetzt wird, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Gibt es keine Einigung, dann steht den Sozialpartnern ein heißer Herbst bevor. (Martin Putschögl, derStandard.at, 18.8.2008)