Alpbach - Nicht ganz frei von Wahlkampftönen hat Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) am Montag zu Beginn der Reformgespräche im Tiroler Bergdorf Alpbach seine Vorstellungen zu einer nachhaltigen Steuerpolitik präzisiert. Die Staatsquote von rund 43 Prozent sei im internationalen Vergleich zweifellos hoch, sie soll sinken. Zuvor aber will Molterer eine Diskussion über die künftigen Aufgaben des Staates. Wenn die definiert seien, könne sozusagen maßgeschneidert ein neues Steuerkleid konzipiert werden.

Gerade die Globalisierung, von der Österreich stark profitiere, zwinge zu einem steuerpolitischen Umdenken. Der Wettbewerbsdruck nehme zu, nicht nur zwischen Unternehmen, sondern auch zwischen Staaten. Beispiel Bildung. Die soll nach Molterers Vorstellung Kernaufgabe des Staates bleiben, ergänzt allerdings um private Initiativen. Erfahrungen mit Fachhochschulen, Privat-Unis und anderen Bildungseinrichtungen seien vielversprechend. Molterer: "Das kann viel Kreativität und Wettbewerb hineinbringen." Dasselbe gelte für die Altersvorsorge und den Gesundheitsbereich.

Der Schwerpunkt einer Steuerreform, die Molterer trotz verstärkten Rufen nach einer Vorziehung erst für 2010 anpeilt, müsse auf der Tarifgestaltung liegen, auch, und da unterscheidet sich Molterer von den Sozialdemokraten, unter Berücksichtigung der höchsten Progressionsstufen. Die Slowakei locke mit niedrigen Abgaben, das dürfe man nicht außer Acht lassen.

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Karl Aiginger, sieht das Steuersystem in Österreich außer Balance; weder einnahmen- noch ausgabenseitig sei eine gute Struktur erkennbar. Diese Mängel, etwa die hohe Belastung des Faktors Arbeit und die vergleichsweise niedrigen Ausgaben für Bildung, Forschung und Infrastruktur, gelte es zu beheben.

Molterer schloss die Wiedereinführung der Mitte des Jahres ausgelaufenen Vermögenssteuer aus, ließ aber Sympathien für eine Steuer auf Spekulationsgewinne erkennen. Außerdem sieht der amtierende Finanzminister Handlungsbedarf hinsichtlich einer Neustrukturierung des Steuersystem: "Dass 7,5 Prozent der Lohnsteuerpflichtigen 45 Prozent des Lohnsteueraufkommens tragen, ist nicht gerecht. Es hat in den vergangenen Jahren starke Verschiebungen zulasten des Mittelstandes gegeben." (Günther Strobl/DER STANDARD, Printausgabe, 19.8.2008)