Gelebter Glaube vor Ort, temporärer Religionstourismus und erholsame Ruhe.

Foto: Patmos Island Info

Regen Besucherströmen sieht sich Patmos immer nur dann ausgeliefert, wenn ein Kreuzfahrtschiff anlegt. Alle anderen Besucher müssen die Anreise über Athen in Kauf nehmen (z. B. von Wien mit Austrian, Olympic Airlines und SkyEurope) und dann mit der Fähre von Piräus aus weiterreisen. Auf der Linie Syros-Mykonos-Patmos-Kos-Rhodos verkehrt GA Ferries (www.ferries.gr) regelmäßig ebenso wie Blue Star Ferries (www.bluestarferries.com), die Fahrt dauert 12 Stunden und kostet einfach pro Person € 32,-. Da es eine Nachtfahrt ist, bietet sich eine Kabine an (ab rund € 150,-).

Grafik: DER STANDARD

Durchaus heiter ist, dass Patmos zwar immer wieder betont, gerne am Ende der Welt zu liegen, aber selbst Mittelklassehotels hier über kabelloses Internet verfügen. So auch das Hotel Skala, das aus anderen Gründen ebenfalls eine Überlegung wert ist: Einerseits liegt es recht schön im Hafenort Skala, und dann ist es noch sehr liebevoll begrünt, was auf der eher trockenen Insel keine Selbstverständlichkeit ist. Die Doppelzimmerpreise betragen bei Buchung vor Ort zwischen 60 und 120 Euro, das Frühstück ist im Preis inkludiert.
skalahotel.gr

Foto: Patmos Islands Info

Ganz ehrlich: Auch wenn Patmos als "heiligste griechische Insel" gilt, man kommt auch wegen der Sonne und der Strände. Feinsandige gibt es allerdings nur im Osten und im Süden, jener bei der Bucht Psili Amos etwa lohnt den kleinen Fußmarsch. Einsam ist es dort zumeist, denn nur eine recht spärlich ausgestattete Taverne ist schon die ganze Infrastruktur. Ein Mietwagen (rund 60 Euro pro Tag!) ist hier absolut kein Muss, ein Moped tut es auch um rund 25 Euro pro Tag. Abgesehen davon verkehren hier Linienbusse - die nicht überall hinkommen - die einfache Fahrt kostet € 1,20.

Foto: Patmos Island Info

Patmos ist unglaublich weit weg. So wird die Inselruhe während der Sommersaison nur von einlaufenden Kreuzfahrtschiffen für wenige Stunden unterbrochen. Zu Ostern, ja dann vielleicht, sind die Fährschiffe aus Piräus und Rhodos voll: mit Wallfahrern und Pilgern, die zur Grotte des heiligen Johannes fahren, der auf Patmos seine apokalyptischen Visionen gehabt haben soll. Hilfe in Notlagen wird hier erbeten oder mystische Vertiefung gesucht. Wer aber neben seiner Frömmigkeit auch noch Sinn für kleine Kieselsteinbuchten hat, ist auf diesem Dodekanes-Eiland wirklich bestens aufgehoben.

Gelebter Glaube vor Ort, temporärer Religionstourismus und erholsame Ruhe sind auf dieser 34 Quadratkilometer kleinen Insel eine schöne Verbindung eingegangen. Schon die Anreise ist wie eine Wallfahrt: Nur per Schiff ist Patmos erreichbar, einen Flughafen gibt es nicht. Rund zwölf Stunden ist das Schiff von Piräus nach Osten in Richtung türkisches Festland unterwegs. Die meisten fahren weiter nach Kos oder Rhodos. Teil dieser "Wallfahrt" ist es auch, dass die Fähren zu sündhaft frühen Zeiten ankommen: planmäßig um drei in der Nacht, aber eher zusätzlich mit zwei, drei Stunden Verspätung. Die zarte Morgenröte hinter den Burgmauern des Altstadthügels entschädigt zu diesem Zeitpunkt für die aufwändige Anreise.

Und erst recht bei Lichte betrachtet sind schnell alle Umstände vergessen. Wegen seiner zerklüfteten Struktur hat Patmos ganz viele kleine, zum Teil versteckte Badestrände und Buchten. Schön uneitel ist die Insel, geeignet zum Ausspannen, denn der Massentourismus hat sich hier nie eingenistet. Dennoch leben die 2915 Einwohner in den vier Orten Skala, Chora, Grikos und Kampos weitgehend von Pilger-, Kreuzfahrer- und Strandtouristen. Insgesamt 42 kleinere Hotels gibt es hier, Individualisten werden eine Reihe privater Gästezimmer vorfinden - auch ohne Reservierung.

Zungen, in Blau getaucht

Gleich hinter dem Hafenort Skala, der in der Mitte des Eilandes liegt, ist die Insel nur 300 Meter breit. Nach Süden und Norden hin streckt Patmos seine halbinselartigen Zungen in Richtung Ägäis, die hier ein Meer ist, das tatsächlich glasklar und tiefblau im Sonnenlicht schimmert. Selbst in Skala, nur einen Steinwurf von der Fähranlegestelle, gibt es einen kleinen Kieselstrand mit reinem und wohltemperiertem Meerwasser. Oder wie es die Tirolerin Angelika ausdrückt, die den Urlaub nach der Ausbildung zur Krankenschwester für ein Leben auf der Insel eintauschte: "Die kalten Winter in Österreich liegen mir nicht so, hier kann ich bis Dezember baden."

Am späten Nachmittag bauen die Inhaber der Restaurants an der Uferstraße von Skala ihre Tische am Sandstrand auf. Abends gibt es Fisch, freilich direkt vom Meer auf den Tisch. Vor dem heraufziehenden Mond ist es wunderschön, so nah am Meer zu sitzen, die letzten Kreuzfahrtschiffe laufen dann aus. Sie ankern nur tagsüber in der Skala-Bucht, um mit ihren kleinen Landungsbooten Gäste an Land zu bringen, die sich für einige Stunden der "heiligen Tour" widmen. Mit Bussen werden sie hinauf in die Chora gebracht, die mit ihren weißen Häusern auf dem Scheitel eines Bergrückens sitzt. Über allem thront das Kastell mit dem berühmten Johannes-Kloster.

Zählt man nicht zu den umsorgten Kreuzfahrern, zuckelt auch ein alter niederländischer Linienbus die Serpentinenstraße hinauf. Oben in der Chora verläuft sich alles schnell - wenn sich hier überhaupt etwas zu verlaufen hat. Denn selbst an einem Sonntagnachmittag in der Hochsaison ist ein einsamer Spaziergang durch enge Gassen möglich, wo sich nur die weißgetünchten Häuser aneinandergedrängt haben. 22 Kapellen sind in diesem Ort verbaut und versteckt, selbst die Unesco hat diese Einmaligkeit abseits großer Touristenströme in ihre Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

Nur warten bis sechs Uhr

Traumhaft schön ist der Blick über die Dächer der Kapellen in die Weite der Ägäis. Vor dem Johannes-Kloster warten zwei Souvenirläden auf die Pilger und Touristen. Vor allem aber: Sie warten nur. Nachmittags um sechs schließt der Kastellan das Kloster für Besucher. Wer so spät kommt, wird trotzdem reingelassen. Und das gilt nicht nur für den Geistlichen, der gerade noch den Innenhof betritt, um sich "geheiligtes" Wasser in eine Plastikflasche abzufüllen.

Das Kloster beherbergt heute ein Seminar für angehende Priester und eine Bibliothek mit 890 antiken Handschriften. Bedeutend sind die Teile einer urchristlichen Handschrift des Markus-Evangeliums, das der "Purpurne Codex 67" genannt wird. Im Jahre 1088, während der alten, noch kriegerischen Kreuzfahrerzeit wurde mit dem Bau des Wehrklosters begonnen. Grund für den Klosterbau war damals schon eine 1000 Jahre zurückreichende Geschichte, die Patmos zu einem der heiligsten Orte der orthodoxen Kirche machte. Als "Jerusalem der Ägäis" wird es gerne bezeichnet, denn in einer kleinen Höhle unterhalb des Klosters soll das letzte Buch der Bibel, die Apokalypse aufgeschrieben worden sein. Schwere Kost, freilich mit gutem Ausgang für die Rechtgläubigen. Die Höhle diente jedenfalls dem frühen Christen Johannes als Unterschlupf; im Jahre 95 nach Christus soll er hier seine apokalyptischen Visionen gehabt haben.

Heute hat die orthodoxe Kirche ein weiteres Kloster um die Höhle gebaut. Selbst die Behausung des Apokalypse-Autors gibt es noch, der Eintritt in die Visionärsbleibe ist frei. Schon deshalb ist es erstaunlich, dass diese Höhle außer zu Ostern immer ruhig und ein Ort der Besinnung geblieben ist.

Es gibt allerdings auch abergläubische Menschen, die wegen der düsteren Visionen aus antiker Zeit nie nach Patmos fahren. Die 48-jährige Griechin Maria aus Piräus ist aber genau deshalb gekommen. Ihr Freund hat sie plötzlich verlassen, vom Untergangsspezialisten erbittet sie nun Hoffnung. Andere wiederum erhoffen sich vom Ruf Patmos' als erprobter Ort für Verbannungen lediglich Ruhe. Auch wenn heute feststeht, dass zumindest Johannes nicht dorthin verbannt wurde, sondern dass er sich einfach nur der römischen Gerichtsbarkeit entziehen wollte. Dafür war Patmos schon immer weit genug vom Schuss. Und selbst nach 2000 Jahren hat sich daran kaum etwas geändert. Nicolas van Ryk/DER STANDARD/Printausgabe/16./17.8.2008)