Es sind ja oft gerade die Kleinigkeiten, die die Welt zu einem besseren Platz machen. Ein Lächeln hier, ein nettes Wort da oder eine neue Definition in einer Statistik. Wie in den USA, wo dank einer kreativen Interpretation des Begriffes "Obdachlosigkeit" die Zahl der Betroffenen nach unten gepurzelt ist.

Früher wurde noch jeder, der seine Wohnung los war, als Wohnungsloser gezählt. Heute reicht jede Art von Dach über dem Kopf, um aus der Statistik zu verschwinden. Selbst wenn es nur das Autodach auf einem Parkplatz ist: Auf der Straße leben die Betroffenen nach offizieller Ansicht nicht.

Vor einem selbstgefälligen Blick auf die furchtbaren sozialen Zustände in den USA und deren amtlicher Beschönigung sollte man sich hüten. Und seine Netzhaut mit Bildern aus der engeren Umgebung versorgen.

Die Vereinigten Staaten haben wenigstens offizielle Zahlen zum Problem der Obdachlosigkeit. In Österreich sucht man sie vergeblich. Es könnten 1000 Bürgerinnen und Bürger sein, die hier ständig auf der Straße leben, es könnten aber auch doppelt so viele sein. Mehr als Schätzungen von NGOs existieren nicht. Und wie viele Menschen nach Delogierungen in Notschlafstellen, bei Bekannten oder in heruntergekommenen Absteigen übernachten müssen, weiß keiner.

Doch selbst wenn es offizielle Daten geben würde - sie würden auch bei uns wenig über die reale Lebenssituation der Betroffenen sagen. Das kennt man von den Arbeitslosenzahlen, das kennt man von der Inflation. Denn für eine schönere, bessere Welt reicht je nach Bedarf eine kleine Definitionsanpassung. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.8.2008)