facultas

Für Liam O'Flaherty ist es eine "zornige grüne Insel", und James Joyce sagte einmal, Irland sei eine "alte Sau, die ihre Ferkel frisst". Missernten und britische Repression zwangen Mitte des 19. Jahrhunderts mehr als drei Millionen Iren, ihr Land - meist Richtung USA - zu verlassen. Hunderttausende, die nicht gehen konnten oder wollten, verhungerten. Nicht nur für die Emigrierten ist Irland mit oder gerade wegen seiner Rauheit, Weite und Schönheit ein Heimweh-, ein Sehnsuchtsland geblieben.

Um Verlorenes, das aber noch spürbar und in Erinnerungen präsent ist, geht es auch in Heinz Grosskopfs wunderbarem Bildband Irland. In vergangener Gegenwart. Seit langem schon hat sich der 1949 in Innsbruck geborene, heute in Wien lebende Künstler und Fotograf in Bildbänden der Insel angenommen. Angefangen hat alles 1972, als Grosskopf Irland mehrere Monate mit dem Fahrrad erkundete. "Was suchte er in Irland? Ein besseres Tirol? Ein besseres Leben? Gefunden hat er jedenfalls seine fotografische Lebensliebe!", schreibt Elizabeth McGlynn.

Liebe ist in diesem Zusammenhang ein gutes Wort, weil viel mehr noch als auf die atemberaubende Natur ist der Blick Grosskopfs auf die Menschen gerichtet, auf "Frauen und Männer mit Schwielen an Händen und Seele", auf solche, "die den eigenen und den Schmerz der anderen formulieren, statt ausgereizte Phrasen zu dreschen", wie der Schriftsteller Stephan Alfare in seinem intensiven Vorwort schreibt. Es sind die Menschen, ihr Leben, auf denen Grosskopfs Blick ruht - und ihre Geschichten, die von Würde handeln, von Härte und Respekt.

Es geht dem Fotografen allerdings nicht darum, auf den 70 Schwarz-Weiß-Fotos eine archaische Welt samt Pferdekarren, Torfkulturen, Steinwällen und Fischern sozialromantisch zu verklären, vielmehr zeigen die vorwiegend in den 1970er-Jahren entstandenen Fotos, wie schnell sich Irland, dessen Geschichte vor allem seit 1973, dem Beitritt zur damaligen EG, eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte ist, verändert hat. Es sind daher auch Bilder von einer Welt, die unwiederbringlich verschwunden ist. "Gut ist es, immer Kerzen, Karten, die Bibel und ein wenig Whiskey im Hause zu haben", heißt es am Ende des Bandes - und diesen Bildband, zum Genuss, zur Erinnerung. (Stefan Gmünder / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16./17.8.2008)