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Genia Kühmeier (Pamina) und Markus Werba (Papageno) in bunter Kulisse.

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Salzburg - Auch in den kühnsten Fantasien ließe sich nicht ausmalen, dass das Bayreuther Publikum den Schluss der Gralserzählung auch schon für das Ende des Lohengrin hält und in heftige Beifallsbekundungen ausbricht. Anders in Mozarts Geburtsstadt Salzburg. Im Verlauf der Wiederaufnahme der Zauberflöte meinte das dortige Festspielpublikum, nachdem Tamino und Pamina ihre Proben glücklich bestanden hatten, wäre die Vorstellung zu Ende. Da nützten auch Riccardo Mutis vom Dirigentenpult aus gefuchtelten Protestsignale nichts, der Applaus ging los, Kamerateams stürmten den Zuschauerraum, in dem sie die eine oder andere allfällig anwesende russische Goldkehle auszumachen hofften.

Da fragt man sich schon, ob nicht eher eine der von Christian Boesch so erfolgreich gestalteten und leicht fasslich moderierten Versionen einer Zauberflöte für Kinder dem Bildungsniveau der Festspielgäste besser entsprochen hätte als diese mit der Originalversion so eklatant zu überfordern.

Andererseits wundert, was an dieser Produktion so schwer zu begreifen ist. Sogar Riccardo Muti hat sie in Amsterdam so spontan verstanden, sodass man sie ja schon vor zwei Jahren ihm zuliebe in die Mozartstadt transferierte und nun aus ihrer leider nur einjährigen Versenkung holte. Lauscht man dieser Aufführung mit geschlossenen Augen, hört man gediegene Salzburger Mozart-Kultur, doch von der Stange. Und Konfektion ist eben Konfektion.

Genia Kühmeier (Pamina) und Michael Schade (Tamino) sind ein mustergültiges Mozart-Paar, singen perfekt, spielen kultiviert, doch immer mit einem Hauch von Fadesse. Das hat mit Pierre Audis grauenvoll naiver Inszenierung nur mittelbar zu tun. Die einzige Gestalt, die aus dem Charakter der Stangenmode ausbricht und durch mitunter beinah verstörende Präsenz auffällt, ist Dietmar Kerschbaums Monostatos. Da kommt plötzlich Leben ins lähmende Mozart-Amt, das Franz-Josef Selig als Sarastro und Franz Grundheber als Sprecher mit obligater Würde und in den tiefen Bassregionen mit entsprechender Dominanz versehen.

Bei Albina Shagimuratova als Königin der Nacht werden in ihrer großen Arie die nicht immer präzise erwischten Spitzentöne nur allzu oft zu spitzen Tönen, die ihre Leistung eher auf Durchschnittlichkeit reduzieren. Markus Werba als Papageno und Irena Bespalovaite haben es da schon viel einfacher, sich in die allgemein luxuriöse Mozart-Konfektion einzugliedern.

Man könnte Muti am Pult als den Spitzenschneider dieser Konfektionsware bezeichnen und die Wiener Philharmoniker als seine bestens funktionierende und parierende Werkstatt. Maßvoll in den Tempi und auch in der Dynamik legt er eine makellose Nummer um die andere vor, kann sich aber nicht entscheiden, wo das Ganze stilistisch hin soll: Einmal nähert er sich mit auffälliger Behutsamkeit dem Volksstück an, ein anderes Mal wieder hat er die Attitüde der großen Oper.

Beides auf einmal versucht der szenische Teil dieser Produktion zu sein. Er wird von Karl Appels grellen und klobigen Dekorationen dominiert. Berge, ein Flugzeug, ein Auto, alles bewegt sich, fliegt durch die Luft. Ein Kosmos aus Farben und Formen, der hin und wieder zu schönen Lösungen findet wie etwa das Schlussbild mit seinem zu Gold gewordenen Keil aus Sonnenlicht.

Gegenläufig zum dekorativen Aufwand verhält sich Pierre Audis Inszenierung. Sie begnügt sich mit müden Aufmärschen des Chores, dessen von Thomas Lang studierte Mitglieder von Jorge Jara in Multikulti-Gewänder gesteckt wurden. Und die gemeinsam mit den Solisten das simple Geschehen in ebenso simplen Aktionen nacherzählen - die für das Publikum der Salzburger Festspiele allerdings noch immer nicht simpel genug sind. (Peter Vujica / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16./17.8.2008)