Eine thymische Epithelzellen unter dem Fluoreszenzmikroskop (blau: Zellkern, rot: Zytoplasma, grün: Zellbestandteile mit aktiver Autophagie)

Foto: IMP/Jelena Nedjic

Wien - Ein neuer Mechanismus, wie der Körper Abwehrzellen darauf programmiert, körpereigenes Gewebe zu verschonen, ist nun von einer Wiener Forschungsgruppe entdeckt worden: Der Immunologe Ludger Klein, langjähriger Forschungsgruppenleiter am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien, konnte jetzt mit seinen Kollegen die sogenannte "Autophagie" als weiteren wichtigen Mechanismus der T-Zell-Schulung identifizieren. Diese Erkenntnisse könnten zur Entschlüsselung von Autoimmunerkrankungen wie etwa Morbus Crohn oder Multiple Sklerose beitragen.

Schutz vor Infektionen

T-Zellen schützen den Körper vor Infektionen, indem sie Pathogene erkennen und gezielt zerstören. Damit T-Zellen aber nicht den eigenen Körper angreifen, müssen sie lernen, zwischen "körpereigen" und "körperfremd" zu unterscheiden. Funktioniert dies nicht, entstehen Autoimmunerkrankungen.

Diese Selbst-Toleranz lernen die T-Zellen bereits im Thymus, dem Organ, in dem täglich einige Millionen dieser Zellen produziert werden. Schon während früherer Arbeiten entdeckte Klein, dass die sogenannten "thymischen Epithelzellen" praktisch jedes Eiweiß des gesamten Körpers produzieren und den T-Zellen präsentieren. Im übertragenen Sinn wird so ein Abbild sämtlicher Organe in den Thymus projiziert. Noch bevor eine gesunde T-Zelle den Thymus verlässt, hat sie folglich alle körpereigenen Proteinstrukturen kennengelernt, die es zu verschonen gilt.

Das Rätsel

Rätselhaft blieb den Forschern jedoch, wie die thymischen Epithelzellen die in ihrem Zellinneren "versteckten" Selbstantigene für T-Zellen sichtbar machen. In seiner neuen Publikation, veröffentlicht in der Wissenschaftszeitschrift "Nature", konnten Ludger Klein und seine Mitarbeiter jetzt zeigen, dass dazu ein Mechanismus "zweckentfremdet" wird, den Zellbiologen bereits seit Jahrzehnten in einem anderen Zusammenhang kennen.

"Autophagie"

Dieser als "Autophagie" ("sich selbst Essen") bekannte Prozess wird normalerweise im Körper genutzt, um "alte" Zellbausteine abzubauen und daraus Energie zu gewinnen oder neue Strukturen zu schaffen. Die neuen Forschungsergebnisse legen jetzt den Schluss nahe, dass die "Autophagie" von thymischen Epithelzellen zur Herstellung von Eiweiß-Fragmenten (Epitopen) genutzt wird, um Toleranz bei T-Zellen zu erzeugen: Mittels Autophagie werden diese Epitope aus Eiweißen im Zytoplasma "herausgeschnipselt" und an die Zelloberfläche geschleust, wo sie anschließend den reifenden T-Zellen präsentiert werden - und diese damit eine weitere körpereigene Struktur kennengelernt haben, die es zu verschonen gilt.

Experiment

Die Bestätigung für diese Vermutungen erhielt Kleins Mitarbeiterin Jelena Nedjic in einem entscheidenden Experiment: Labormäuse, deren "Autophagie"-Mechanismus gezielt in den thymischen Epithelzellen inaktiviert wurde, entwickelten plötzlich massive Autoimmunsymptome, da ihre T-Zellen den eigenen Körper attackierten.

Diese wichtige Erkenntnis könnte in Zukunft helfen, die Entstehung menschlicher Immunerkrankungen zu erklären. So konnte erst vor kurzem durch zwei andere Arbeitsgruppen eine bisher ungeklärte genetische Verbindung zwischen "Autophagie" und Morbus Crohn, einer chronischen Autoimmunerkrankung der Darmschleimhaut, nachgewiesen werden. (APA)