Roland M. Kreutzer, Tripple Internet.

Sommerloch ist etwas für Offliner! Warum sollten Menschen im Sommer schließlich anders ticken als das restliche Jahr? Sie konsumieren Medien genauso wie die Produkte im Supermarkt und sonstwo. Nur der Zeitpunkt der Nutzung ändert sich wirklich.

In der Offline-Welt war das Märchen vom Sommerloch eines, das sich gut eingespielt hat. Man hatte wenig zu berichten und produzierte dünnere Inhalte. Redaktionen gönnen sich Urlaub, das Anzeigenniveau sinkt mit Auflagen, Intervallen und natürlich vorwiegend den Verkaufs-Argumenten. Der Sommer ist also für alle eine medial ruhige Zeit – doch weiß das der Leser auch?

Hinterfragen konnte man das kaum, denn das sofortige Feedback aus dem Medium gab es nicht. Online schaut das anders aus und selbst wenn auf Seiten mancher Werber noch immer die Sommer-Mentalität Entscheidungen beeinflusst – die User stört das nicht am weiteren starken Konsum der angebotenen Medien. Und die geben sich keinem Sommerloch hin – sie produzieren weiterhin stark wie auch das restliche Jahr über.

Sommerhoch statt Sommerloch

Gerade sind die neuen Zahlen von ÖWA und Gemius bei mir am Schreibtisch gelandet und haben mir die Bestätigung dafür gebracht. Der Juli war ein Monat wie jeder andere. Ich habe mir ein paar Medien angesehen und kaum "Dellen" in der Kurve gesehen – meine eigenen Websites liegen mit unter 2% Schwankung zum Vormonat auch im Schnitt.

Und weil ich hier auf die Details der Statistiken zugreifen kann, habe ich mir auch das Wetter im Vergleich mit den Zugriffen angesehen. Denn eine andere Nutzung als in den anderen Monaten habe ich schon entdeckt: Der Durchschnitt ist zwar ähnlich, die "Peaks" sind allerdings auffällig. Und aus Erfahrung kenne ich diese Peaks im Zusammenhang mit schönem Wetter. Lege ich die Kurven übereinander, habe ich auch dieses Mal den Beweis: Badewetter verschiebt die Mediennutzung, sie verhindert sie aber nicht.

Verschobene Tage...

So zeigt sich bei der Analyse ein Schönwettertag mit schwachen Zugriffen, der nachfolgende Schlechtwettertag dann aber mit sehr starker Nutzung. Zusammen ergeben sie das, was zwei typische Tage ergeben hätten. Interessant auch: Ab mehreren Schönwettertagen geht der Trend zurück – der Rucksack an Mediennutzung, der vor sich her geschoben wird, wird immer kleiner und man konsumiert Medien trotz Hitze und Sonnenschein.

Zumindest online, wo man es in der Statistik so schön nachweisen kann. Vermutlich auch offline, denn bis auf die Auslandsnutzer im Internet dürften Offlinemedien ähnliche Effekte spüren. Auf jeden Fall dann, wenn sie im Sommer überhaupt "normal" erscheinen. Denn ein Sommerloch existiert meiner festen Meinung nach nur im Kopf...

Ein Nutzen für Werbekampagnen?

Ich bin ein Freund der zeitlichen Optimierung von Werbekampagnen. Statt sich zu viel mit Umfeldern und anderen Dingen zu beschäftigen, kann man hier wirklich enorme Effekte erzielen. Zu dem "User nicht zu oft stören, dafür aber kurz vor der Kaufentscheidung" kommt jetzt also noch ein "Im Sommer glauben alle an ein Loch und hinterlassen genau das in der Werbung" dazu. Eine Sommerkampagne (zumindest im Internet) trifft auf wenig Mitbewerb um die Aufmerksamkeit, aber auf eine gleiche Zielgruppe wie sonst. Was das an Vorteilen für die Werbung bringen könnte, kann man sich ausmalen.

PS: Ein weiterer Beweis ist der Stapel unerledigter Dinge auf meinem Schreibtisch, der jedes Jahr im Sommer wieder einmal nicht kleiner wird. Die Hoffnung auf das Sommerloch bleibt im Internet definitiv ein unrealistischer Wunsch. ;-) (Roland M. Kreutzer, 12.8.2008)