Wolfgang Schüssel hat sich entschieden, er hat die ÖVP auf seinen Weg gestellt. Der ist neuerlich schwarz-blau. Allen Warnungen zum Trotz will der Bundeskanzler das Wagnis mit den Freiheitlichen, das bereits einmal furios gescheitert ist, noch einmal eingehen. Die Sozialdemokraten waren ihm doch zu teuer.

Der Kanzler war nicht willens, der SPÖ jene Zugeständnisse zu machen, die für eine große Koalition notwendig gewesen wären. Er war nicht einmal bereit, eine letzte Kraftanstrengung am Verhandlungstisch zu versuchen.

Gescheitert ist Schwarz-rot letztlich an den unterschiedlichen Vorstellungen zu einer Pensionsreform und zu einer Neuordnung des Gesundheitssystems, an der starrsinnigen Haltung in der Bildungspolitik, vor allem aber auch am offenbar ziemlich fixen Ankauf von Abfangjägern, die aus Schüssels Sicht im besten Falle sündteuere Eurofighter zu sein haben. Für alle Beobachter verwunderlich, dass ausgerechnet in diesem Punkt das Beharrungsvermögen Schüssels und seines engeren Umfelds so groß ist.

Schüssel hat enorm getrödelt, und für dieses magere Ergebnis wird er nicht viel Applaus bekommen. Mag sein, dass Wolfgang Schüssel ein begnadeter Pokerspieler ist. Den Masterplan, der ihn mit einer genial ausgeheckten Strategie die Regierungsform seiner Wahl bescherte, hatte er jedenfalls nicht. Auch in seiner Einschätzung der jeweiligen Verhandungspartner ist er gelegentlich ordentlich daneben gelegen. Bei den Grünen etwa hatte er sich gehörig verschätzt. Deren Verhandlungsabbruch am Sonntag um fünf Uhr morgens hatte ihn ziemlich überrascht.

Die letzten Meter auf dem Weg zur Regierungsbildung ist Schüssel mehr geschlittert als entschlossen voran geschritten. Mit der FPÖ hatte er stets leichtes Spiel. Sie stand zur Verfügung und blieb - zwangsläufig - bescheiden. Was Schüssel sagte, akzeptierte Haupt.

Ungleich schwieriger war es mit Alfred Gusenbauer. Vor allem, weil der SPÖ-Chef wirklich und aus Überzeugung eine Regierungsbeteiligung der SPÖ anstrebte, auch gegen einen breiten Widerstand in seiner eigenen Partei. Das machte es Schüssel so schwer, den ungeliebten ehemaligen Koalitionspartner ausrutschen zu lassen. Gusenbauer war zwar belastet mit den Vorgaben, die ihm sein Präsidium mit auf den Weg gegeben hatte und schien nicht bereit, alle Prinzipien der Sozialdemokraten über Bord zu werfen, er hielt die Chance aber stets am Leben.

Gusenbauer ließ sich nie soweit provozieren, dass er selbst alles hinwarf und sich aus eigenen Stücken in die Oppositionsrolle einfügte. Vielleicht auch nur deshalb, weil er sein eigenes politisches Überleben als Vizekanzler am Ballhausplatz eher abgesichert sah als es in der Rolle des Oppositionsführers, an dem sich die Seinen bald reiben könnten.

Jene in der Volkspartei, die die Emotion ausblenden und ihren prinzipiellen Widerwillen gegen die "roten Gfrieser", wie es Andreas Khol so geradeaus formuliert hat, hintanstellen konnten, hatten Schüssel bedrängt, es doch ernsthaft mit der SPÖ zu probieren, auch wenn es schmerzhaft werden würde. Mit der FPÖ sei kein Staat zu machen. So argumentierten vor allem jene, die mit den Freiheitlichen gar nicht so viel zu tun hatten und sich das Scheitern des Kabinetts Schüssel I aus der ersten Reihe fußfrei ansehen konnte, ohne selbst Teil davon zu sein - nämlich die mächtigen Landeschefs.

Ungeachtet dessen holt Wolfgang Schüssel wieder Herbert Haupt und sein schwieriges Team an Bord. Um genau dort wieder anzufangen, wo vor knapp vier Monaten die alte Regierung Schiffbruch erlitten hat.

Einen soliden Vertrauensvorschuss kann sich diese Regierung nicht erwarten. Zu groß sind die Altlasten, die sie mitzuschleppen hat, auch wenn das freiheitliche Regierungsteam geschrumpft sein wird. Berechenbarer ist es in den letzten Wochen nicht geworden. Das muss auch auf die schwarz-blaue Regierung umgelegt werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.2.2003)