Das Rätsel, warum die Koalitionsgespräche mit den Grünen nicht klappten, ist nicht sehr schwer zu lösen: Es ging ums Geld. Die nächste Regierung unter Bundeskanzler Schüssel und mit einem Finanzminister Grasser muss einsparen, dass es quietscht - sonst gerät das Budget vollkommen aus den Fugen.

Die Kosten beim Staatszuschuss für die Pensionen und für das Gesundheitssystem explodieren in den nächsten Jahren; ebenso die Kosten für die Beamtengehälter. Die Kosten für die ÖBB betragen inzwischen zehn (!) Prozent der Steuereinnahmen. Von Nulldefizit keine Rede, Finanzminister Karl-Heinz Grasser kann seinen Nimbus als erfolgreicher Budgetsanierer nur dann aufrechterhalten, wenn ihm das Defizit in den nächsten Jahren nicht vollkommen entgleist. Das ist für seine weitere Karriereplanung wichtig.

Aus diesem Grund konzentriert er sich geistig nur auf die Defizitminderung, und die hauptsächlich durch Einnahmenerhöhung, weil Ausgabenkürzungen, etwa bei den Beamten, nur längerfristig wirksam sind. Das hilft aber Grasser nicht bei seinem Bestreben, international als Schuldenbremser anerkannt zu sein.

Schüssel muss daher jeden denkbaren Koalitionspartner auf ein ziemlich hartes Belastungsprogramm verpflichten (dessen mögliche Einzelheiten im neuen Format aufgelistet sind). Da konnte ursprünglich schon die Pensionistenpartei SPÖ nicht mit. Die Grünen wiederum verstehen sich in Teilen als "die bessere SPÖ" (Erhard Busek) und fühlen eine Verpflichtung, den Armen und Unterprivilegierten der Gesellschaft ein dicht geflochtenes soziales Netz zu erhalten. Das ehrt sie, bringt aber stimmenmäßig nichts, weil die Unterprivilegierten entweder gar nicht wählen oder eine Radaupartei wie die FPÖ, mit Sicherheit aber nicht eine Intellektuellenpartei wie die Grünen. Die wären vermutlich besser dran, wenn sie sich als Alternative für die liberaleren Mittelschichten positionierten, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls konnten die Grünen unter dem Druck ihres starken linken Flügels nicht auf die ziemlich rabiaten Belastungspläne von Schüssel/Grasser eingehen. Außerdem scheiterten die Gespräche daran, dass eine Partei, die erstmals in die Regierung geht, auch Geld für die Verteilung an ihre Klientel braucht. Gibt's aber nicht.

Die Frage ist jetzt, wie sehr die SPÖ und die FPÖ bereit sind, das Sparpaket mitzutragen. Gusenbauer sagte, "in der Analyse" der tristen Lage des Pensions- und Gesundheitssystems sei man sich ja einig, über die Maßnahmen aber offenbar nicht. Außerdem ist er noch mit der Schnapsidee einer Volksbefragung über die Pensionsreform on record. Ob die FPÖ überhaupt eine Meinung zu diesen Fragen hat, ist unklar, außer vielleicht der Tatsache, dass Herbert Haupt im Fall des Falles gerne Sozialminister bleiben würde. Gerade dieses Ministerium will ihm aber die ÖVP nicht lassen, weil er dort hauptsächlich ein Chaos angerichtet hat und weil es für die Sanierung genau der größten Problembereiche zuständig wäre.

Jedenfalls ist aber auffällig, wie sehr Wolfgang Schüssel betont, dass eine Sanierung dieser Bereiche zur "Pflicht" (im Gegensatz zur Kür) der neuen Regierung gehört. Man muss daraus schließen, dass die Entscheidung, mit wem er eine Koalition eingeht, sehr stark auch davon abhängt, wer bereit ist, ihm beim Auslöffeln dieser wenig schmackhaften Suppe zu helfen. Attraktiv ist das für keine Partei, schon gar nicht für die SPÖ, deren Massenklientel am stärksten betroffen wäre. Schüssel hat es schwer, Partner für ein Belastungspaket zu finden. Das ist auch ein Grund für die Dauer dieser Regierungsbildung.(DER STANDARD, Printausgabe, 21.2.2003)