Vor einer Woche haben die UN-Chefinspektoren im Sicherheitsrat einen Bericht zum Stand der Irakinspektionen abgegeben, aus der auch mit schlechtestem Willen niemand einen akuten Kriegsgrund ableiten konnte. Das überraschte Zurückrudern von US-Außenminister Colin Powell bei seiner dem Bericht folgenden Rede hatte den willkommenen politischen Effekt, dass in den Tagen danach sowohl Nato als auch EU eine Einigung auf eine gemeinsame Linie wesentlich leichter fiel, als dies angesichts eines imminenten Kriegsbeginns der Fall gewesen wäre. Aber jetzt halten wir bei einer Woche danach, und die USA versuchen, den Zug wieder auf die Schienen zu bekommen.

Und wieder einmal scheint ihnen Saddam Hussein dabei zu helfen: Was da vorigen Freitag im Sicherheitsrat stattfand - und dazu kommen noch die Antikriegsdemonstrationen auf der ganzen Welt am Wochenende -, dürfte vom Irak ziemlich missverstanden worden sein. Jedenfalls ist in der vergangenen Woche aus Bagdad nichts gekommen, was als weitere von den Inspektoren dringend verlangte Kooperationsverbesserung verbucht werden könnte. Und bis zum nächsten Bericht, der im Ton ganz anders ausfallen könnte, ist es wenig mehr als eine Woche.

Die Inspektoren kritisieren vor allem, dass weiter keine irakischen Experten bereit sind, ohne Aufpasser und ohne Tonband - das sie verlangen, um nicht von den Inspektoren "überinterpretiert" werden zu können - mit ihnen zu sprechen; nur drei von dreißig Anfragen der UNO wurden bisher positiv beantwortet. Mit einem entsprechenden Ukas Saddams würde sich das wohl ändern - was aber noch nicht heißt, dass dann mehr bei den Befragungen herauskommen würde.

Ein weiterer Test wird die nun von Chefinspektor Hans Blix verlangte Zerstörung der auffrisierten irakischen Samud-2-Raketen sein, obwohl, pragmatisch eingeschätzt, dies der Irak eher nicht zum Kriegsgrund werden lassen wird: Die von der Unmovic (U.N. Monitoring, Verification and Inspection Commission) untersuchten Raketen sind - da man ja weiß, wo sie sich befinden - im US-Angriffsfall ohnehin schon so gut wie kaputt. Die Samud 2 könnten mit ihrer Reichweite von gut 180 Kilometer auch nur von einer entscheidenden Bedeutung sein, wenn sie in den Flugverbotszonen im Norden und im Süden des Irak abgeschossen würden - was unwahrscheinlich ist, weil dort die militärischen Einrichtungen seit geraumer Zeit von den USA systematisch zusammengebombt werden.

Jedenfalls: Wenn die USA und Großbritannien versuchen, beim jetzigen Stand der Dinge in den nächsten Tagen eine neue Irakresolution einzubringen, muss diese irgendetwas bieten, das dem restlichen Sicherheitsrat eine Zustimmung erst ermöglicht. Das heißt, wenn eine Konstatierung des "material breach" hineinkommt - nach Interpretation Londons und Washingtons bereits ein Kriegsgrund -, muss auch ein Ultimatum, also eine allerletzte Chance für Saddam Hussein, hinein.

Trotzdem ist der Ausgang offen: Bulgarien und Spanien sind schon gewonnen - auch wenn die spanische Außenministerin Ana Palacio ihre Hardliner-Rede vom letzten Freitag zuletzt relativiert haben wollte -, die restlichen elf Mitgliedstaaten sind in unter-schiedlichem Ausmaß widerwillig. Syrien und Deutschland sind bereits abgeschrieben.

Wenn man nun rund zwei Wochen für das Ringen im Sicherheitsrat rechnet und zwei für eine letzte Frist, hält man bei Mitte/Ende März für einen Kriegsbeginn - wenn die dramatische Unterwerfungsgeste Saddams ausbleibt. Ohne Zustandekommen einer UN-Resolution wäre der Termin früher.

Darauf, dass auch noch in Bagdad etwas passieren könnte, weisen - allerdings naturgemäß unbestätigte - Berichte hin, dass der irakische Verteidigungsminister, der immerhin auch Schwiegervater von Saddam Husseins Sohn und designiertem Nachfolger Kusay ist, unter Hausarrest steht: Putschgefahr.(DER STANDARD, Printausgabe, 21.2.2003)