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+++ PRO

Karl Fluch

In den gefährlichen Suburbs einer steirischen Kleinstadt aufzuwachsen entsprach ungefähr Frank McCourts irischer Kindheit. Der Kernölversion davon. Überall rivalisierende Gangs wie die Holzer Buam oder die Schirlingers (sic!). Natural born killers styrian style. Typen, die sich nicht scheuten, Muttis Liebling wegen einem Tic Tac den reißenden Fluten der Mur zu übergeben oder einen an den Schnürsenkeln an Nachbars Kirschbaum aufzuhängen. Warum? Darum. Punkrock war noch nicht erfunden, Fernsehen ging erst am Abend los, und die Anwesenheit von Mädchen auf diesem Planeten wurde noch als seltsame Laune der Natur empfunden. Trostlos. Da half nur eines: schnell groß und stark werden - schwimmen lernen sowieso.

Zumindest das mit dem Großwerden habe ich geschafft. Und zwar mit Hilfe von Leckerschmecker, dem besten Schokoriegel aller Zeiten. Das war so ein geflochtener Plombenzieher mit zäher Karamellfüllung und Dinosaurier-Comics auf der Verpackungsrückseite. Ein Traum! Der wurde zwar trotz meiner unstillbaren Nachfrage eingestellt, aber Banjo - "das ist mit Haselnuss-Mignon" - erwies sich als tauglicher Notnagel. Jedenfalls schoss ich unter Zuhilfenahme dieser Wunderdinger bald in dünnere Luftschichten hoch. Zwar blieb auch dort der Daseinszweck von Mädchen ein Rätsel, und vom heilbringenden Lärm popeliger Bleichgesichter mit Gitarren war ebenfalls keine Spur. Aber immerhin erwies sich der gewonnene Fernblick als taugliches Frühwarnsystem gegen die Holzer Gang. Denn wenn die mich erst mit einem Schokoriegel erwischt hätten - frage nicht!

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---CONTRA

Doris Krumpl

Scho-ko-lade! Lebensretter und treuer Freund, Hormonersatztherapie und Lustorgel, wir huldigen, preisen und verspeisen dich, wenn du rein und ohne Begleitung erscheinst. Wir nehmen keine lächerlichen Stückchen und Eckchen in Kauf, sondern verschlingen dich gleich tafelweise, familienpackungweise, kiloweise. Den Riegel jedoch aber schieben wir nicht in den Mund, sondern höchstens vor die Schoko-Tür. Der Riegel an sich ist böse - und feig zugleich, nicht ausschließlich in der schlicht ergreifenden, variantenreichen Kakao-Fett-Milch-&-Zucker-Masse zu erscheinen.

Angereichert mit sämtlichen E-Zusatzzahlen dieser Welt geht er, der Feige, mit Karamel, Kokos, Müsli, Keksi oder sonstigen Zahnfreunden einher. Picksüß statt bittersüß. Er zerstört den Verdauungs-Workflow. Und diese niveauvolle Werbung: Groovy 7ties-Rhythmen und funky music sollen diese Zwitter zu Lifestyle-Produkten stilisieren. Dann lieber Kochschoko vom Diskonter! Und diese affigen Konstruktionen: Da wird tatsächlich mittels "Kau-Maschine" Sound-Design generiert für das "richtige Knacken" von Wafferl und Schokomasse. Für ein Zuckerl zu groß, für was Ordentliches zu klein: Die Ess-Einheit dieser bunten Kakao-Schänder genügt indes für den hohlen Zahn. Den bekommen Riegelmampfer übrigens gratis dazu von ihren pickigen, picksüßen Plombenziehern. So isses. Und jetzt kraftvoll zubeißen. (DER STANDARD/rondo/21/02/2003)