Paris/London - Die unabhängige französische Tageszeitung "Le Monde" (Paris) kritisiert am Donnerstag die Verbalattacken von Frankreichs Präsident Jacques Chirac gegen die EU-Beitrittskandidaten wegen ihrer Haltung im Irak-Konflikt: "Noch bevor die ehemals kommunistischen Staaten Ost- und Südosteuropas der EU beigetreten sind, werden sie in einer ernsten Krise mit drei der Gründerstaaten konfrontiert: Frankreich, Deutschland und Belgien. Trotz der Einigung in Brüssel kann niemand über die Misshelligkeiten hinwegsehen. Die Erweiterung fängt schlecht an! War noch im Dezember das Ende der Beitrittsverhandlungen bewegend und prunkvoll gefeiert worden, spaltet sich dieses erweiterte Europa nicht mal zwei Monate später über die fundamentale Frage des Sinns dieser Union, ihrer Rolle in der Welt und über ihr Verhältnis zu den USA."

The Guardian

Die linksliberale britische Zeitung "The Guardian" (London) zur Irak-Frage in der EU: "Europa steht im Regen. In einem Jahr, das Europa durch Währungsunion und Osterweiterung vereinen sollte, zerfiel es in Teile. Blair geht mit Amerika, Frankreich und Deutschland stolpern in eine halbgare Rolle hinein, Europa als alternative Supermacht zu präsentieren. Ihnen gegenüber stehen das mächtige Belgien, Italien, Spanien und Portugal an der Seite von Blair und Amerika. Und ebenso die kleineren Staaten im Osten."

El Mundo

Die spanische Zeitung "El Mundo" (Madrid): "Es besteht kein Zweifel daran, dass US-Präsident George W. Bush in dieser entscheidenden Phase die widerspenstigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates mit aller Macht unter Druck setzt, um sie zum Einlenken zu bewegen. Wir werden in den kommenden Tagen eine gnadenlose diplomatische und politische Schlacht erleben. Dabei geht es um nichts Geringeres als um das Machtgleichgewicht und die internationale Ordnung, die die Welt in den kommenden Jahrzehnten bestimmen werden."

"Volkskrant": Verbale Gewalt

Die niederländische sozialdemokratisch orientierte "Volkskrant": "Mit seiner verbalen Gewalt baut Chirac unnötigerweise die Mauer in Europa wieder auf. Die französische Haltung verspricht auch nichts Gutes für Europa nach 2004. Aber als Provokation ist Chiracs Erklärung gelungen. Sie zwingt die osteuropäischen Länder, über ihre künftige Rolle in der EU nachzudenken. Geht es allein darum, vom internen Markt zu profitieren? Oder wollen die neuen Mitgliedstaaten auch mitdenken, wenn es um die Sicherheitspolitik und die Außenpolitik der EU geht, selbst wenn diese noch so dürftig ist?" (APA/dpa)