Eines vorweg: die Unschuldsvermutung gilt für beide. Für den Toten wie für den Schützen. Genauer: für den mutmaßlichen Motorraddieb und den niederösterreichischen Polizisten, der ihn Freitagmorgen an einer Straßensperre erschossen haben soll. Doch Grundlegendes ist jetzt schon anzusprechen.

Was genau in der Kellergasse passiert ist, weiß derzeit niemand. In den Medien bekommt die Sache dank Indiskretionen von Polizeiseite schon eine eindeutige Schlagseite. Kein einmaliger Einbrecher soll er gewesen sein, sondern ein ganzes Lager von Motorrädern angelegt haben.

Und er soll nicht einfach nur geflüchtet sein, sondern so brutal die Straßensperre an der Engstelle umfahren haben, dass der Exekutivbeamte zumindest zur Seite springen musste. Vielleicht sogar touchiert wurde. Und dann habe sich eben tragischerweise ein Schuss aus der Dienstwaffe gelöst - der den Flüchtigen hinterrücks traf.

Die dabei nicht gestellte Frage: Muss einem Dieb überhaupt mit gezogener Glock-Pistole gegenübergetreten werden? Natürlich, Polizist zu sein ist gefährlich. Wenn, wie vor einigen Jahren in Linz, ein Bankräuber auf die Exekutive ballert, wird ihr niemand verwehren zurückzuschießen. Oder wenn, wie in Wien geschehen, ein Amokfahrer durch die halbe Stadt rast und Unbeteiligte gefährdet. Aber im aktuellen Fall hat der Mann auf dem Motorrad nicht geschossen und ist nicht unkontrolliert dahingeschlingert. Sondern ist geflüchtet. Damit bleibt vorerst der Hautgout, dass Eigentum über Leben stand. Oder Polizisten die Nerven durchgehen, wenn sie sich attackiert fühlen. (Michael Möseneder/ DER STANDARD Printausgabe 11.8.2008)