Salzburg - Der aus Petersburg gebürtige Pianist Arcadi Volodos spielt, wie er aussieht. Massig, zu virtuosen Gewalttätigkeiten neigend, nie aber vordergründig und oberflächlich brillant, dafür aber stets affektive Extremwerte ansteuernd. Ursprünglich wollte Volodos Sänger werden. Vielleicht hat er deshalb auf das Klavier umgesattelt, weil er sich nicht durch Äußerlichkeiten mitteilen wollte, sondern durch seine gesamte Persönlichkeit.

Es scheint nämlich so, als würde Volodos im Großen Festspielhaus bei den Salzburger Festspielen für sich allein spielen und sich dabei unbeobachtet fühlen. Oft tut er dies mit so angewiderter Miene, als würde ihm das, was er spielt oder wie er es spielt, ganz und gar nicht gefallen.

Dann wieder folgen Passagen mit verzücktem Gesicht. Dieses Mienenspiel ist kein pianistisches Theater, in der Art, wie es Kollege Lang Lang gerne zum Besten gibt, sondern es kündet von einer künstlerischen Versunkenheit, aus der ihn nur der heulende Jubel des Publikums, der ihm Sonntagmittag im Festspielhaus entgegenschlug, zu wecken vermag.

Sein Programm reichte von einer Auswahl von Werken Alexander Skrjabins - darunter die umfangreiche, als Messe blanche bezeichnete 7. Klaviersonate - über Maurice Ravels Valses nobles et sentimentales und Robert Schumanns Waldszenen bis zu Franz Liszts Fantasie-Sonate Après une lecture de Dante aus dem zweiten Band der Années de Pèlerinage.

Möchte man an diesen Interpretationen ein gemeinsames Charakteristikum aufspüren, so mag dies weniger in der mitunter an den Schlüssen und auch an den Übergängen mitunter etwas ungepflegten Pedalisierung liegen, als am Zugang, den Volodos zur Klangsprache der Vergangenheit erschließt.

Er behandelt den kompositorischen Code der Klassik, der ja auch in der Romantik seine Gültigkeit nicht verloren hat, nicht als ehernes Gesetz, sondern die sich daraus ergebenden Tonfolgen als eine Serie von Zufällen, die ohne weiteres auch anders klingen könnten.

Der Dreiklang wird hier zum Sonderfall. Die Melodie zu einer gesetzlos sich ergebenden Reihe von Tönen. Das macht sein Spiel so reizvoll. Nichts ist von einer erwartbaren Schlüssigkeit, alles, was Volodos spielt, ist eigentlich eine Überraschung. Am deutlichsten wurde dies in den Waldszenen von Robert Schumann, in dem Der Vogel als Prophet zu einem Musterbeispiel einer interpretatorischen Verwandlung eines traditionellen Werkes in faszinierende Aleatorik wurde. (Peter Vujica, DER STANDARD/Printausgabe, 11.08.2008)