Molterer hat im Wahlkampf einen prominenten Fürsprecher: Franz Fischler, ehemaliger Landwirtschaftsminister und EU-Kommissar, wird dem Personenkomitee für Molterer vorstehen.

Foto: STANDARD/Matthias Cremer

Wenn sich die Österreicher eine Regierung wünschen dürften, dann wäre das erstmals keine große Koalition mehr - laut einer Umfrage im Auftrag der ÖVP. Deren Parteichef hat im Wahlkampf einen prominenten Fürsprecher.

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Wien - Die ÖVP konnte einen prominenten Mitstreiter gewinnen, der im Wahlkampf die Werbetrommel für Parteichef Wilhelm Molterer rühren wird: Franz Fischler, ehemaliger Landwirtschaftsminister und EU-Kommissar, wird dem Personenkomitee für Molterer vorstehen. Das ist insofern auch eine brisante Entscheidung, da Fischler einer der wenigen in der ÖVP ist, die Wolfgang Schüssel, ehemals Kanzler, nun Klubchef im Parlament, mehrfach und offen den Rückzug aus der aktiven Politik nahegelegt haben.

Während die SPÖ ihre Listen weitgehend fertig hat, lässt sich die ÖVP damit bis zum letztmöglichen Termin Zeit: Erst am 8. September, dem Tag, an dem die Kandidatenlisten abgegeben werden müssen, will die ÖVP ihre Entscheidung kundtun und diese in einem Bundesparteivorstand absegnen. Wenigstens eine Überraschung wird sich auf der Bundesliste finden, anders als die SPÖ will die ÖVP auch in diesem Wahlkampf mit einem Quereinsteiger punkten.

Schüssel wird übrigens nicht auf der Bundesliste antreten, er muss sich um einen Platz auf der Wiener Landesliste kümmern. Schüssel wird in seinem Wahlkreis in Wien-Hietzing antreten, an welcher Stelle ist noch unklar. Darüber entscheidet die Wiener Volkspartei, und da könnte es durchaus knapp werden: Der Wiener Parteichef Johannes Hahn zählt nicht unbedingt zur engeren Fangemeinde von Wolfgang Schüssel.

Die jüngste Umfrage, die die ÖVP vom Meinungsforschungsinstitut Fessel-GfK Ende Juli mit 1000 Befragten durchführen ließ, sieht die ÖVP in den Rohdaten nur zwei Prozent vor der SPÖ. Und beide Parteien liegen unter 25 Prozent, auf eine Hochrechnung habe man verzichtet.

Abgefragt wurden auch die Koalitionspräferenzen. Erstmals ist die große Koalition aus SPÖ und ÖVP nicht mehr die beliebteste Koalitionsform der Österreicher. Laut dieser von der ÖVP in Auftrag gegebenen Umfrage präferieren 23 Prozent aller Befragten eine Koalition aus ÖVP und Grünen - was mit einem Zuspruch von 43 Prozent auch die Lieblingskoalition der deklarierten ÖVP-Wähler wäre. Eine rot-grüne Koalition liegt mit 21 Prozent Zustimmung aller Befragten auf Platz zwei, für eine große Koalition sprechen sich nur mehr 19 Prozent der Befragten aus.

FPÖ-Wähler für Rot-Blau

Deklarierte SPÖ-Wähler bevorzugen mit 39 Prozent klar eine Koalition mit den Grünen. Bei den Grünen gibt es zwei große Lager: 49 Prozent sprechen sich dezidiert für Rot-Grün aus, aber immerhin noch 40 Prozent für Schwarz-Grün. Bei den FPÖ-Anhängern tendiert eine Mehrheit von 44 Prozent zu Rot-Blau.

In der ÖVP wären also die Grünen der Wunschpartner, große Chancen auf Schwarz-Grün sieht man aber nicht, da die Grünen in den Umfragen schwächeln. Jeder Zweite, der in der Umfrage angab, das Liberale Forum zu wählen, kommt direkt von den Grünen. Parteichef Alexander Van der Bellen ist die Lust auf Schwarz-Grün, die Mitte Juli noch "sehr groß" war, ohnehin "absolut" vergangen, sagt er im Kurier, Grund sei der "ausländerfeindliche Wahlkampf der VP".

Molterers Sympathiedefizit

Sorgen macht man sich in der ÖVP über die Umfragewerte von Spitzenkandidat Molterer. In den "harten" Politikfeldern liegt Molterer zwar durchgehend vor seinem SP-Konkurrenten Werner Faymann, der punktet allerdings deutlich in der Sympathiefrage. In den Themenbereichen politische Erfahrung, Kompetenz in der EU-Politik sowie Wirtschafts- und Finanzfragen liegt Molterer meilenweit vor Faymann. So gestehen 72 Prozent Molterer politische Erfahrung zu, Faymann nur 17 Prozent. Auch in Sachen Verlässlichkeit, Führungsstärke und Durchsetzungsfähigkeit hat Molterer bessere Werte als Faymann.

Schmerzhaft wird es für die ÖVP, wenn es um persönliche Werte geht: 52 Prozent der Befragten halten in der ÖVP-Studie Faymann für eine sympathische Person, Molterer nur 22 Prozent. Besonders in der Kanzlerfrage zählen diese Werte. Wo Faymann noch deutlich vor Molterer liegt: "Versteht die Nöte der Menschen", "Geht auf die Bedürfnisse der Menschen ein" , "Wirkt gut im Fernsehen", "Setzt auf den sozialen Ausgleich".

Faymanns "Krone" -Malus

Die ÖVP hat aber auch erheben lassen, welche Argumente gegen Faymann als Kanzler sprechen. An erster Stelle mit 61 Prozent: "Sein Hang zu politischem Opportunismus und seine Anbiederung an die ,Kronen Zeitung‘" . Argumente gegen Molterer als Kanzler wurden ebenfalls abgefragt - und sind streng unter Verschluss. (Michael Völker/DER TANDARD, Printausgabe, 11.8.2008)