Peking - Der Name "Bush, US-Präsident" stand erst an Stelle Nummer 44 in der Aufzählung der Pekinger Neuen Hauptstadtzeitung über die eingetroffenen Staatsgäste nach dem Präsidenten von Mosambik und vor dem der Mongolei. Auch in der Pekinger Großen Halle des Volkes mussten Bush und seine Frau Laura lange warten. Drei Dutzend andere Staatsoberhäupter durften vor ihnen Chinas Präsident Hu Jintao und seiner Frau Liu Yongqing die Hand drücken. Dann erst kam das Ehepaar Bush an die Reihe.

Es war kein Affront stolzer Chinesen gegen die USA. Es war auch keine Retourkutsche Pekings für die Kritik an der Missachtung der Menschenrechte und Unterdrückung der Religion, die Bush auf seiner Anreise an die Adresse Chinas gerichtet hatte. Die Aufzählung der Zeitung richtete sich nach der Reihenfolge der gelandeten Präsidentenjets. Der lange Aufmarsch der 80 Präsidenten und Könige in der Großen Halle folgte streng dem Protokoll. Spätestens als die Zuschauer bei der Live-Übertragung sahen, wie vertraut Bush dem Präsidenten Hu seinen Arm um die Schulter legte, wussten sie, dass die persönliche Chemie zwischen beiden Führern stimmt und es auch um die chinesisch-amerikanischen Beziehungen nicht so schlecht stehen kann.

Es steht sogar gut um sie. Bush ist der erste US-Präsident, der zu Olympischen Spielen kommt. Er bringt zudem seinen ganzen Familien-Clan mit. Neben Vater und Ex-Präsident George Bush begleitet ihn auch die Familie seiner Bruders Marvin und seine Schwester Dorothy Koch.

Nur wenige wissen, dass starke emotionale Beziehungen der Großfamilie Bush zu China und auch zu deren Führern bestehen, die über drei Jahrzehnte zurückreichen. Das mildert nicht die Interessengegensätze der USA und Chinas oder ihren prinzipiellen Streit um Bürgerrechte. Aber es hilft im persönlichen Umgang.

Für Vater George Bush ist es seine 22. Chinareise, seit er 1993 sein Präsidentenamt niederlegte. Die besonderen Beziehungen der Bush-Familie zu China begannen, als er und seine Frau Barbara im September 1974 in Peking für fast zwei Jahre ein US-Verbindungsbüro als Vorstufe für eine geplante Botschaft aufbauten.

Pioniere in China

In seinen nach über 30 Jahren jetzt erstmals veröffentlichten Tagebüchern ("The China Diary", Princeton) berichtet Vater Bush etwa, wie er am 29. Juni 1975 seine 15-jährige Tochter Dorothy in der damals einzigen evangelischen Kirche Pekings taufen ließ. Dorothy war damals zusammen mit Sohn George W. Bush auf Besuch der Eltern nach Peking gekommen. Sie "war die erste Amerikanerin, die seit 1949 wieder in China getauft wurde". Der sie damals taufende Pfarrer Ying Yizeng war gerade ein halbes Jahr zuvor von der Feldarbeit in die Kirche zurückgeholt worden. Ying lebt 99 Jahre alt heute noch in Peking. Ein chinesischer Beamter, der Vater Bush betreute, beim Übersetzen half und engen Familienkontakt hielt, ist heute Außenminister von China.

Der Präsident und sein Vater, die gestern die neugebaute gigantische US-Botschaft einweihten, bleiben vier Tage in Peking, um das US-Olympiateam zu sehen. Das Außenministerium Chinas wies die in Peking von Bush erneuerte Kritik an Chinas Umgang mit den Menschenrechten als unzulässige Einmischung scharf zurück. Im chinesischen Internet aber interessierte der Streit nur wenige. Dafür rechneten umso mehr Bush seinen Besuch hoch an. Er würde ihre persönliche Befindlichkeit verstehen. Der Präsident, der kurz vor seiner Reise in den USA demonstrativ mit Exil-Dissidenten zusammentraf, hatte auf die Frage, warum er trotzdem nach China fahre, gesagt: "Ich möchte nicht, dass sich die meisten Chinesen beleidigt fühlen, weil ich nicht komme."

Bombendrohung

Die Kritik Bushs an der Lage in China war die deutlichste, die ein Spitzenpolitiker kurz vor der Eröffnung der Spiele äußerte. Vor allem die europäischen Gäste hielten sich zurück. In Nepal löste die Polizei eine anti-chinesische Demonstration auf und nahm 740 Exiltibeter fest. Die Fluggesellschaft Air China erhielt in Tokio eine Bombendrohung. (erl)

Nur Präsident Bush (2. von li., mit Gattin) durfte Staatschef Hu Jintao freundschaftlich die Schulter klopfen.
Foto: Reuters