Fotos: Warner, Edel, Universal
Fotos: Warner, Edel, Universal

Ry Cooder, The Hold Steady und Ron Sexsmith. Müsste man sich für einen entscheiden, es würden alle drei werden.

Fotos: Warner, Edel, Universal

Ein vermeintliches Sommerloch hält schon lange niemanden mehr von Veröffentlichungen ab. Schon gar nicht Musiker, die ohnehin ein wenig aus der Zeit fallen oder sich eher an Ewiggültigem abarbeiten als an irgendwelchen saisonalen Trends. Ry Cooder, längst ein Unberührbarer, der die notenfaule, sehnsuchtsvolle Slidegitarre mit seinem Soundtrack zu Wim Wenders Paris, Texas für immer mit den Bildern US-amerikanischer Roadmovies verknüpft hat, vervollständigt mit I, Flat- head (Nonesuch/Warner) eine Kalifornien-Trilogie, die schon mit den Vorgängern Chávez Ravine und My Name Is Buddy jene Zeit hochleben ließ, an der sich Cooder immer orientiert: die Vergangenheit. In vergessene Winkel, in denen US-amerikanischer Folk, Country, Blues, afrikanischer Desert Blues, Cajun und Zydeco, Tex-Mex und andere Bastarde immer noch lebendig sind, hielt Cooder wie ein Trüffelschwein seine Nase hinein und förderte auf vielen wunderbaren Alben oftmals (fast) vergessene Musik zutage. Das berühmteste Beispiel war der kubanische Buena Vista Social Club mit seinen unvergleichlichen Rentnern.

I, Flathead widmet Cooder dem Western-Swing-Gitarristen Jimmy Rivers. Aber keine Sorge, die geföhnte Cowboy-Brunch-Mucke, die Western Swing ist, lässt Cooder unberücksichtigt. In sehr schlanker Instrumentierung rumpelt und poltert und groovt er wie auf frühen Großtaten - Into The Purple Valley (1972) oder Paradise And Lunch (1974) - durch einen Themenpark, in dem Johnny Cash ebenso vorkommt wie der Steel Guitar Heaven. Cooder, der in Interviews oft bitter nostalgisch den Verlust des Geschichtsbewusstseins des Pop beklagt, kann die Zeit damit zwar nicht anhalten. I, Flathead erinnert in seiner charmant-legeren Machart aber einmal mehr an Tage, als man noch aus Spaß an der Freud und am Beinandersein musiziert hat, als Radio noch nicht mit 30 austauschbaren Songs rund um die Uhr bespielt wurde, sondern Lieder noch Geschichten mit Bedeutung hatten. Wer dafür anfällig ist, wird I, Flat- head lieben und mit einer stilistischen und emotionalen Vielfalt belohnt, wie sie nur auf einem dieser wilden Misthaufen der Geschichte blüht, für die Cooder so gerne den Gärtner gibt.

Zwar schwer angesagt, aber dennoch zeitlos ist die US-Band The Hold Steady, die seit Jahren mit ihrem forcierten, vorwärtstreibenden Bier- und Thekenrock beweist, dass jene Musik, die Bruce Springsteen kultiviert hat, mit den Errungenschaften von Punkrock deutlich besser klingt als beim Meister selbst - wie das Album Stay Positive (Rough Trade/Edel) belegt. Und das, obwohl The Hold Steady durchaus saxofonieren und pianieren lassen. Trotzdem dampft The Hold Steady ungleich lebendiger, und dass der Sänger des in New York wohnenden Quintetts wie ein verkaterter Bob Mould (Hüsker Dü, Sugar ...) klingt, schadet auch nicht. Live soll die Band umwerfend sein: zu überprüfen am 21. Oktober im Wiener WUK.

Ebenfalls beständig neben dem Stuhl der Mode sitzt der Kanadier Ron Sexsmith, über den man immer wiederkehrend berichten kann, dass er einer der gefühlvollsten, überzeugendsten Singer-Songwriter des Planeten ist. Mit voller Band erfreut er auf dem ausgezeichneten Exit Strategy Of The Soul (V2/Universal) mit einnehmenden Popmelodien, die er wie ein Schwerenöter mit zartem Schmelz und Bläsern überzieht - ohne Gefahr zu laufen, in die seichten Gefilde des Kitschs abzudriften. Mit Soul-Keyboard geht's durch die besten Songs, die die Beatles nie geschrieben haben. Wer bei Herzöffnern wie One Last Round oder dem Poor Helpless Dreams nicht weich wird, kann kein/e Gute/r sein. Shed a tear! Or two. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.8.2008)