Fehlende Lernfähigkeit kann man der ÖVP nicht vorwerfen: Vor den letzten Wahlen hatten schwarze Politiker den "Pflegenotstand" noch geleugnet, nun nützen sie das Thema aus, um Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) als kaltherzig hinzustellen. Der lässt das nicht auf sich sitzen und verheißt selbst jede Woche neue Wohltaten.

Bevor alle Alten, Schwachen und Kranken bei den Wahlen aus Begeisterung ihr Kreuzerl bei beiden Parteien gleichzeitig machen, lohnt sich ein präziserer Blick auf die tatsächlichen Leistungen. Von einem "Fall der Vermögensgrenzen" ist da die Rede, die ÖVP plakatiert "Schluss mit der Sparbuch-Kontrolle". Suggeriert wird: Wer künftig Pflege konsumiert, der muss dafür nicht mehr sein Vermögen opfern.

Das ist nur die halbe Wahrheit oder, besser gesagt, ein Bruchteil davon. Ihr Hab und Gut dürfen nur jene Menschen sicher behalten, die - wie das ÖVP-Plakat immerhin im Kleingedruckten verrät - 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nehmen, also lediglich fünf Prozent aller Pflegebedürftigen. Wer hingegen im Pflegeheim liegt, auf dessen Geld greifen Landesbehörden nach wie vor zu. Rund 180 Millionen Euro nehmen die Länder zusammen laut Sozialministerium aus Regress und Zugriff auf Vermögen ein, der jetzige Verzicht bei der 24-Stunden-Betreuung schlägt sich im Gegensatz dazu nur mit ein paar Millionen nieder.

180 Millionen sind zu viel, um einfach darauf verzichten. Gut, dass sich (Noch-)Regierungspolitiker mittlerweile den Kopf zerbrechen, wie der wachsende Bedarf an Pflege fair finanziert werden kann. Gemessen an der Herausforderung haben sie bisher aber viel geredet und noch wenig erreicht. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.8.2008)