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Amos Gitai vor dem Screening von 'Plus tard tu comprendras'

Foto: APA/EPA/MARTIAL TREZZINI

Locarno  - Dem israelischen Regisseur Amos Gitai wurde Donnerstag beim Filmfestival Locarno der Ehrenleopard überreicht. Er sei einer der größten Filmemacher der Gegenwart, sagte Festival-Direktor Frédéric Maire. Gitai beschäftigt sich in seinen Werken mit seiner Heimat, die immer "im Auge des Sturms" lebte, wie er selber sagt.

Subversive Option

Dass Gitai für die Aussagen in seinen Filmen in Israel oft kritisiert werde, sei "legitim", sagte er vor Journalisten, "ich sage in meinen Filmen sensible Dinge." Kino sei für ihn eine subversive Option, um Fragen zu stellen. In seinem Film "Plus tard tu comprendras", eine Adaptation des autobiografischen Romans von Jérôme Clément, der nach der Würdigung Gitais in Locarno gezeigt wird, beschäftigt sich der Regisseur mit der Geschichte der Juden in Europa. Es sei die Geschichte von Jérôme, aber auch seine eigene, sagte Gitai. Die Figur Victor rekonstruiert dank der Erinnerungen seiner Mutter die Geschichte seiner Großeltern mütterlicherseits, französische Juden russischer Abstammung, die in Konzentrationslager deportiert wurden.

Gitai selbst wurde 1950 in Haifa geboren und war ursprünglich Architekt. Als er 1973 im Jom-Kippur-Krieg der Armee diente, wurde der Helikopter, in dem er saß, abgeschossen. Der Pilot kam dabei ums Leben. Das traumatische Erlebnis, das er im Film "Kippur" (2000) verarbeitete, sollte seine künstlerische Karriere prägen. Mit dem Ehrenleoparden zeichnet das Festival von Locarno jährlich "einen großen aktiven Filmemacher" aus. Gitai reiht sich damit in eine Liste mit klangvollen Namen wie Bernardo Bertolucci, Ken Loach oder Jean-Luc Godard ein.

Leopardenjagd gestartet

Der Wettbewerb um den Goldenen Leoparden startete am Donnerstagnachmittag mit dem Beitrag "Parque Vía" des mexikanischen Regisseurs Enrique Rivero sowie dem türkisch-deutschen Beitrag "Sonbahar" von Özcan Alper. "Parque Vía" widmet sich der Kluft zwischen Reich und Arm, zwischen Weißen und Indios in der mexikanischen Bevölkerung anhand der Geschichte des alten Indio Beto, der eine luxuriöse Villa in Mexiko-Stadt bewacht. "Sonbahar" thematisiert die jüngere Geschichte der Türkei in der Person von Yusuf, der nach einem zehnjährigen Gefängnisaufenthalt wegen seines Engagements für die Demokratie in sein Heimatdorf zurückkehrt.

Am Mittwochabend war die 61. Ausgabe des Internationalen Filmfestivals von Locarno mit der Erstaufführung des englischen Spielfilms "Brideshead Revisited" von Regisseur Julian Jarrold (nach Evelyn Waugh, mit Emma Thompson) gestartet. Bis 16. August konkurrieren bei 18 Werke um den mit 90.000 Schweizer Franken (rund 56.000 Euro) dotierten Hauptpreis, darunter der österreichische Film "März" von Händl Klaus. Große Attraktion des neben Berlin, Cannes und Venedig wichtigsten Filmfestivals sind die Freiluftaufführungen auf der mittelalterlichen Piazza Grande. Vor 8.000 Zuschauern werden dort auch Andreas Prochaskas Horrorfilm-Sequel "In drei Tagen bist du tot 2" und Philipp Stölzls Erstling "Nordwand" zu sehen sein.

Experimentelle Videokunst und 78 Premieren

Neben dem Wettbewerb und den Freiluftvorführungen auf der Piazza Grande wird den Besuchern experimentelle Videokunst, Aktuelles aus Lateinamerika, Neues von Studenten und vieles mehr geboten. Insgesamt werden auf dem Festival am Lago Maggiore rund 400 kurze und abendfüllende Filme zu sehen sein, 78 feiern  ihre Welt- oder internationale Premiere.

Stargast Anjelica Huston, die in der US-Produktion "Choke" spielt und heuer den Excellence Award entgegennehmen hätte sollen, musste kurzfristig absagen. Die Verleihung findet nun zu einem späteren Zeitpunkt statt. Persönlich erwartet werden hingegen der israelische Regisseur Amos Gitai, der einen Ehrenleoparden erhält, sowie Italiens Regiestar Nanni Moretti, dem in diesem Jahr die Retrospektive gewidmet ist.

Mit Spannung wird zudem erwartet, wer beim Festival als künstlerischer Leiter für 2009 vorgestellt wird. Anfang Juni war bekanntgeworden, dass der amtierende Amtsinhaber Frederic Maire vorzeitig aus seinem Amt scheidet und  mit 1. November 2009 den Posten als Direktor des Schweizer Filmarchivs übernimmt.  (APA/dpa/sda)