Wien - Die Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP über das Gewaltschutzpaket sind gescheitert. Justizministerin Maria Berger macht den früheren Regierungspartner verantwortlich: Die ÖVP, konkret Familienministerin Andrea Kdolsky, habe die "umfassenden Bemühungen um eine Verbesserung des Schutzes von Kindern vor Gewalt und insbesondere vor Sexualstraftaten" an der Frage einer Anzeigepflicht der Jugendwohlfahrtsbehörde scheitern lassen, teilte sie Montagabend in einer Aussendung mit.

"Damit wird die Blockadepolitik der ÖVP selbst zum Schaden der Kinder, die Opfer von Gewalt werden, fortgesetzt", kritisierte Berger. Für die Justizministerin - die in der Vorwoche eine abgeschwächte Variante der Anzeigepflicht bei Kindesmissbrauch und -misshandlung vorgelegt hatte - kam die Blockade der ÖVP "überraschend". Aus ihrer Sicht wurden mit der nach der Begutachtung überarbeiteten Version für das Zweite Gewaltschutzgesetz die Bedenken des Familienministeriums und mancher Experten berücksichtigt.

"Sehr viel Arbeit umsonst"

"Dennoch war Ministerin Kdolsky nicht bereit, dem Gesetzespaket zuzustimmen, offenbar auch mit Rücksicht auf die schlechte personelle Ausstattung der Jugendämter und die mangelnde Bereitschaft, mehr Verantwortung zu übernehmen", bedauerte Berger. Gerade den Jugendämtern müsste an einer wirksamen Bekämpfung von Gewalt an Kindern gelegen sein - aber "offensichtlich will man aus dem Fall Luca und vielen ähnlichen Fällen nichts lernen".

Damit sei "sehr viel Arbeit umsonst" gewesen und ein umfassendes Maßnahmenbündel gescheitert. Das Gewaltschutzpaket hätte höhere Strafen bei lang dauernden Gewaltbeziehungen, schärfere Maßnahmen gegen Sexualstraftäter (gerichtliche Aufsicht, längere Probezeiten und Tilgungsfristen sowie Berufs- und Tätigkeitsverbote), eine Sexualstraftäterdatei, bessere Rechte und eine ausgeweitete Prozessbegleitung für Opfer sowie den Ausbau der einstweiligen Verfügungen des Zivilgerichts gegen Gewalt gebracht.

Kdolsky sieht Schuld bei SPÖ

Familienministerin Andrea Kdolsky sieht die Schuld für das Scheitern des Gewaltschutzpakets bei der SPÖ. Diese und das Justizministerium hätten "entgegen allen Stimmen von Experten auf einer Anzeigepflicht beharrt" und damit ein Scheitern der Verhandlungen provoziert. Offensichtlich stelle die SPÖ wahltaktische Überlegungen über das Kindeswohl, meinte Kdolsky in einer Aussendung am Montag.

Man sei in weiten Bereichen mit dem Justizministerium einig. Eine Anzeigenpflicht sei für die ÖVP aber abzulehnen, weil "dem Schutz der Kinder gegenüber der Strafverfolgung unbedingter Vorrang eingeräumt werden" müsse, verteidigte Kdolsky ihre Haltung: Die Verpflichtung des Jugendwohlfahrtsträgers zur Anzeige berge die Gefahr, dass das nötige Vertrauen "empfindlich gestört" werde. Die erforderliche Kooperation mit der Familie würde so im Keim erstickt und der Zugang zu wichtigen Informationen unter Umständen verhindert.

Kdolsky berief sich auf "namhafte Experten" aus der Medizin und der Jugendwohlfahrt, die sich bei der Enquete im Februar und in den Begutachtungsstellungnahmen einhellig gegen eine Verschärfung der Anzeigepflicht ausgesprochen hätten. "Für mich als Familienministerin hat das Kindeswohl im Mittelpunkt zu stehen", betonte sie. (APA)