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Überzeugungstäterin in der Wahlkabine? Parteitreu aus Tradition? Oder eine Proteststimme? Frauen haben mit dem Teuerungsmotiv diesmal einen besonderen Protestgrund.

Foto: Reuters/Bader

Protestwähler – wer und wogegen sind sie? Wie viele gibt es? Politologen gehen von mehr als einem Drittel Protestwähler aus - mit steigender Tendenz für die kommende Wahl. Vor allem Frauen und Arbeiter zeigen mehr Verärgerung.

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Wien - Sie sind die, in deren Visier vor allem die Noch-Großparteien möglichst nicht geraten wollen, weil das Verluste bedeutet. Für die anderen sind sie Hoffnungsträger, weil sie Gewinne bringen: die Protestwähler. Aber wer versteckt sich dahinter? Wie viel Platz nehmen sie am Wählermarkt ein? Wogegen protestieren sie eigentlich? der Standard machte sich auf die Suche nach dieser zugleich gefürchteten und begehrten Wählergruppe.

Zuerst die quantitative Frage: Wie groß ist der Protest-Pool? 30 bis 35 Prozent der Wahlberechtigten gelten als Protestwähler oder "verärgerte Wähler" , sogenannte "negative voters" , sagt Politikwissenschafter Fritz Plasser.

Auch sein Kollege Peter Filzmaier vom Institut für Strategieanalysen beziffert das Potenzial ähnlich. Der Politik-Professor schätzt, "dass über ein Drittel der Wahlberechtigten starke protestorientierte Motive hat" ; rechnet man jene heraus, die ihren Protest durch Wahlverweigerung ausdrücken, also Nichtwähler werden, bleibt etwa ein Viertel Protestwähler unter den tatsächlichen Wählern. Bei der Nationalratswahl 2006 waren zum Beispiel 60 Prozent aller Parteiwechsler explizit verärgerte Wähler.

Für die anstehende Wahl am 28.September gibt es laut Plasser schon jetzt Frühindikatoren, wonach diesmal mit noch mehr Protestwählern zu rechnen ist - "deutlich über 35 Prozent Verärgerte" , sagt Plasser zum Standard.

Wer verbirgt sich dahinter? "Überdurchschnittlich viele aus der mittleren Altersgruppe und ganz besonders viele Arbeiter" , erklärt Plasser. Deren Politärger ist im Vergleich zur Wahl 2006 "doppelt oder dreifach so hoch" . Abzusehen ist auch schon, dass diesmal der Anteil der protestwählenden Frauen höher sein wird als 2006. Grund ist das "Teuerungsmotiv" . Plasser: "Frauen sind mit dem Thema in der Realität des Alltags öfter konfrontiert." 2006 dominierten unter den Protestwählern die Männer. Laut Filzmaier ist Wahlprotest auch eher in der Stadt daheim.

Wo kreuzen die Protestwähler an? Hängt vom Angebot ab, sagt Plasser - und davon, ob es "mehr sachorientierte oder mehr gefühlsorientierte Protestwähler" sind, so Filzmaier. Die klassische Protestpartei ist die FPÖ. Ärgeraffin ist auch das BZÖ. Fritz Dinkhauser könnte ein nicht-rechtes Angebot sein, das "sozialökonomisch fundierte Protesthaltungen anspricht" , so Plasser. "Sachprotest" könnte einige grün oder liberal wenden. Im Übrigen gilt laut Filzmaier: "Proteststimmen sind weitgehend ideologiefrei." - Hoffnung für alle Parteien. (von Peter Mayr und Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe, 5.8.2008)